Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
sie fast mit der Stirn den Boden berührte, kämpfte gegen einen instinktiven Brechreiz an. Das Schwert fiel ihr aus den fühllos gewordenen Fingern. Jemand hob es auf.
»Jaaa«, sagte Vilgefortz gedehnt und stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. »Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei deinem Angebot. Leben und Freiheit Yennefers im Tausch gegen … Wogegen? Für deine freiwillige Hingabe, ohne Gewalt und Zwang? Tut mir leid, Ciri. Bei dem, was ich mit dir machen werde, sind Gewalt und Zwang unerlässlich.
Ja, ja«, wiederholte er und schaute interessiert zu, wie das Mädchen hustete, Speichel spuckte und sich zu übergeben versuchte. »Ohne Gewalt und Zwang wird es einfach nicht abgehen. Zu dem, was ich mit dir machen werde, würdest du dich niemals freiwillig hergeben, das versichere ich dir. Wie du also siehst, ist dein Angebot nicht nur erbärmlich und lächerlich, es ist auch wertlos. Ich lehne es also ab. Los, nehmt sie mit. Gleich ins Laboratorium.«
Das Laboratorium unterschied sich wenig von dem, das Ciri aus dem Tempel der Melitele in Ellander kannte. Es war ebenfalls hell erleuchtet, sauber, mit langen, blechbeschlagenen Tischen, die Tischplatten voll Glas, voll Flaschen, Retorten, Kolben, Reagenzgläsern, Schalen, zischenden und blubbernden Alambiks und anderen sonderbaren Gerätschaften. Wie in Ellander roch es auch hier scharf nach Äther, Spiritus, Formalin und nach noch etwas, das bewirkte, dass man Angst roch. Selbst dort, im freundlichen Tempel, an der Seite der freundlichen Priesterinnen und der freundlichen Yennefer, hatte Ciri im Laboratorium Angst gerochen. Dabei hatte sie ja dort, in Ellander, niemand mit Gewalt ins Laboratorium geschleppt, niemand hatte sie brutal auf eine Bank gesetzt, niemand sie mit eisernem Griff anSchultern und Armen festgehalten. Dort, in Ellander, hatte nicht mitten im Laboratorium ein schrecklicher stählerner Sessel gestanden, dessen Form in geradezu sadistischer Weise keinen Zweifel ließ. Dort hatte es keine weiß gekleideten, kahlrasierten Typen gegeben, dort war kein Bonhart gewesen, auch kein Skellen, der vor Aufregung rot angelaufen war und sich die Lippen leckte. Und dort war kein Vilgefortz gewesen, das eine Auge normal, das andere klein und grässlich unstet.
Vilgefortz wandte sich vom Tisch ab, auf dem er eben noch irgendwelche bedrohlichen Instrumente zurechtgelegt hatte.
»Siehst du, mein bestes Fräulein«, begann er, während er näher kam, »du bist für mich der Schlüssel zu Macht und Herrschaft. Herrschaft nicht nur über diese Welt, die der letzte Dreck ist und übrigens zum baldigen Untergang verurteilt, sondern über alle Welten. Über das ganze Spektrum von Orten und Zeiten, die nach der Konjunktion entstanden sind. Du wirst mich gewiss verstehen; manche von diesen Orten und Zeiten hast du schon selbst besucht.
Mich«, fuhr er nach kurzer Pause fort, während er die Ärmel hochkrempelte, »wie ich leider eingestehen muss, zieht es schrecklich zur Herrschaft. Das ist trivial, ich weiß, aber ich will ein Herrscher sein. Ein Herrscher, vor dem man sich verneigt, den die Menschen nur dafür preisen, dass er dazusein beliebt, und dem sie göttliche Ehren zuteil werden lassen, wenn er, sagen wir, geruht, ihre Welt vor einer Katastrophe zu retten. Auch wenn er sie nur aus einer Laune heraus rettet. Ach, Ciri, mir geht das Herz bei dem Gedanken auf, wie ich edelmütig die Getreuen belohnen werde und die Ungehorsamen grausam bestrafen. Süßer Honigseim wird es für meine Seele sein, wenn ganze Generationen zu mir und für mich beten, mich um meine Liebe und um meine Gnade anflehen. Ganze Generationen, Ciri, ganze Welten. Spitz die Ohren. Hörst du? Bewahre uns vor Sturm, Hunger, Feuer, Krieg und dem Zorn Vilgefortz’ …«
Er bewegte die Finger unmittelbar vor ihrem Gesicht, plötzlichpackte er heftig ihre Wangen. Ciri schrie auf, warf sich hin und her, doch sie wurde zu kräftig festgehalten. Ihre Lippen begannen zu zittern.
Vilgefortz bemerkte es und kicherte. »Das Kind der Vorsehung.« Er lachte nervös auf, und in seinem Mundwinkel erschien ein Fleckchen weißen Schaumes. »Aen Hen Ichaer, das heilige Ältere Blut der Elfen … Jetzt gehört es mir allein.«
Er straffte sich heftig. Wischte sich den Mund ab.
»Alle möglichen Dummköpfe und Mystiker«, erklärte er wieder in seinem gewohnten, kalten Ton, »haben versucht, sich auf die Ammenmärchen, Legenden und Prophezeiungen einzustellen, haben das Gen verfolgt,
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