Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
das du in dir trägst, das Erbe der Vorfahren. Sie haben den Himmel mit den Sternen verwechselt, die sich an der Oberfläche des Teiches spiegeln, und mystisch angenommen, dass das große Möglichkeiten verheißende Gen sich weiterentwickeln werde, dass es seine ganze Macht in deinem Kind oder im Kind deines Kindes erreicht. Und so entstand um dich eine zauberische Aura, stieg der Weihrauch empor. Die Wahrheit aber ist ebenso banal, wie sie viel prosaischer ist. Ich würde sagen, die Einschränkung ist prosaisch. Wichtig ist, meine Beste, dein Blut. Aber im absolut wörtlichen, ganz und gar unpoetischen Sinn des Wortes.«
Er nahm vom Tisch eine gläserne Spritze von etwa einem halben Fuß Länge. Die Spritze lief in eine dünne, leicht gekrümmte Kapillare aus. Ciri spürte, wie ihr die Lippen austrockneten. Der Zauberer hielt die Spritze ins Licht, um sie zu betrachten.
»Gleich«, kündigte er kalt an, »wirst du ausgezogen und auf den Sessel gesetzt, ebenden, den du so neugierig beäugst. Wenn auch in einer unvorteilhaften Stellung, wirst du doch auf diesem Sessel ungefähr eine Stunde verbringen. Mit Hilfe dieses Geräts hier, das dich, wie ich sehe, ebenfalls fasziniert, wirst du befruchtet. Das wird gar nicht so schlimm, fast die ganze Zeit wirst du halb bewusstlos sein von den Elixieren, die ich dir intravenös geben werde, damit sich die Eizelle richtig einnistet und eineExtrauterin-Schwangerschaft ausgeschlossen wird. Du brauchst dich nicht zu fürchten, ich habe Übung, habe das Hunderte Male gemacht. Zwar noch nie an einer Auserwählten des Schicksals und der Vorsehung, aber ich glaube nicht, dass sich Eierstöcke und Gebärmutter einer Auserwählten gar so sehr von denen gewöhnlicher junger Frauen unterscheiden.
Und jetzt das Wichtigste.« Vilgefortz genoss, was er sagte. »Vielleicht wird dich das bekümmern, vielleicht aber auch freuen, aber du sollst wissen, dass du kein Kind gebären wirst. Wer weiß, vielleicht wäre das wirklich ein großer Auserwählter mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, ein Erlöser der Welt und König der Völker. Aber niemand ist imstande, sich dafür zu verbürgen, und außerdem gedenke ich nicht so lange zu warten. Ich brauche Blut. Genauer, Plazentablut. Sobald sich der Mutterkuchen ausbildet, werde ich ihn dir entnehmen. Der Rest meiner Pläne und Absichten, meine Beste, wird dich, wie dir klar sein dürfte, nicht mehr betreffen; also werde ich dich nicht darüber informieren, das wäre nur eine unnötige Frustration.«
Er verstummte, machte eine Kunstpause. Ciri konnte ihre zitternden Lippen nicht beherrschen.
»Und jetzt« – der Zauberer nickte theatralisch – »bitte ich in den Sessel, Fräulein Cirilla.«
»Es würde sich lohnen« – Bonharts Zähne blitzten unter dem grauen Schnurrbart hervor –, »dass diese Hündin Yennefer sich das ansieht. Das steht ihr zu!«
»Ja doch.« Im Winkel von Vilgefortz’ lächelndem Mund erschien erneut ein weißes Schaumflöckchen. »Die Befruchtung ist doch eine heilige Sache, erhebend und feierlich, ein Mysterium, bei dem die ganze nähere Verwandtschaft assistieren sollte. Und Yennefer ist schließlich die Quasi-Mutter, und die nimmt in primitiven Kulturen für gewöhnlich beinahe am Brautbett der Tochter teil. Los, bringt sie her!«
»Was aber diese Befruchtung angeht« – Bonhart beugte sich über Ciri, die die kahlrasierten Akoluthen des Zauberers schonauszuziehen begonnen hatten. »Könnte man das nicht, Herr Vilgefortz, auf gewöhnlichere Weise machen? Wie es Sitte ist?«
Skellen prustete und schüttelte den Kopf. Vilgefortz zog leicht die Brauen zusammen. »Nein«, widersprach er kalt. »Nein, Herr Bonhart. Könnte man nicht.«
Ciri, der erst jetzt der Ernst der Lage zu Bewusstsein kam, schrie durchdringend. Einmal, dann noch einmal.
»Na, na.« Der Zauberer verzog das Gesicht. »Wacker, hoch erhobenen Hauptes und mit dem Schwert sind wir in die Höhle des Löwen gekommen, und jetzt fürchten wir uns vor einem kleinen Glasröhrchen? Schäm dich, mein Fräulein.«
Ciri, der es nichts ausmachte, sich zu schämen, schrie ein drittes Mal so, dass die Laborgeräte zu klirren begannen.
Und das ganze Schloss Stygga antwortete plötzlich mit Gebrüll und Alarm.
»Das gibt Unglück, Leutchen«, wiederholte Stupps, der mit dem eisenbeschlagenen Hinterende eines Spontons getrockneten Mist zwischen den Steinen des Hofes herauskratzte. »Oje, ihr werdet sehen, das gibt Unglück für uns arme Schlucker.«
Er
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