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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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schaute seine Kameraden an, doch keiner von den Wachposten gab einen Kommentar ab. Auch Boreas Mun schwieg sich aus, der bei den Wächtern am Tor geblieben war. Aus eigenem Antrieb, nicht auf Befehl. Er hätte wie Silifant dem Uhu folgen, sich mit eigenen Augen überzeugen können, was mit der Dame vom See geschah. Doch Boreas wollte dabei nicht zuschauen. Lieber blieb er hier auf dem Vorhof, unter freiem Himmel, weitab von Zimmern und Sälen des Oberschlosses, wo man das Mädchen hingebracht hatte. Hier war er sicher, dass nicht einmal ihre Schreie zu ihm dringen würden.
    »Schlechte Zeichen sind das, diese schwarzen Vögel.« Stupps deutete mit einer Kopfbewegung auf die Saatkrähen, die immer noch auf Mauern und Gesimsen saßen. »Ein böses Omen ist das, dieses junge Ding, wo auf der Rappstute gekommen ist.Eine schlechte Sache ist das, sag ich euch, in der wir dem Uhu dienen. Es heißt aber, dass der Uhu selber gar kein Untersuchungsführer mehr ist und kein wichtiger Herr, sondern ein Geächteter wie wir. Dass der Kaiser fürchterlich sauer auf ihn ist. Wenn sie uns, Leutchen, zusammen erwischen, dann wehe uns armen Schluckern.«
    »Ajaj!«, setzte ein anderer Wachposten hinzu, mit großem Schnurrbart und einem Käppchen, das Schwarzstorchfedern schmückten. »Der Pfahl ist nahe! Es ist schlecht, wenn der Kaiser böse ist.«
    »Je nun«, warf ein dritter ein, der erst vor kurzem ins Schloss Stygga gekommen war, mit der letzten von Skellen angeworbenen Gruppe von Söldnern. »Dem Kaiser wird für uns vielleicht keine Zeit bleiben. Weil, er hat jetzt grad andere Malessen. Es heißt, da war eine wackere Schlacht irgendwo im Norden. Der Nordling hat den Kaiser geschlagen, nach Strich und Faden.«
    »Dann«, beschied ein vierter, »ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass wir beim Uhu sind? Ist ja immer besser, bei dem zu sein, mit dem’s bergauf geht.«
    »Stimmt«, sagte der Neue. »Ist besser. Der Uhu, denke ich, wird aufsteigen. Und bei ihm kommen auch wir hoch!«
    »Oje, Leutchen.« Stupps stützte sich auf den Sponton. »Ihr seid dumm wie Pferdeschwänze.«
    Die schwarzen Vögel stiegen mit betäubendem Flügelschlag und Krächzen auf, verdunkelten den Himmel, wirbelten als Wolke um die Bastion.
    »Ki diabel?«, stöhnte einer der Wachposten.
    »Bitte öffnet das Tor.«
    Boreas Mun nahm plötzlich einen durchdringenden Geruch von Kräutern wahr: von Salbei, Minze und Thymian. Er schluckte Speichel hinunter, schüttelte den Kopf, schloss und öffnete die Augen. Es half nicht. Der hagere, graumelierte und an einen Steuereinnehmer erinnernde Herr, der plötzlich neben ihnen aufgetaucht war, dachte gar nicht daran, zu verschwinden. Erstand da und lächelte mit zusammengepressten Lippen. Es fehlte nicht viel, und Boreas’ Haare hätten die Mütze in die Höhe gehoben.
    »Bitte öffnet das Tor«, wiederholte der lächelnde Herr. »Un verzüglich . Es ist wirklich besser so.«
    Stupps ließ klirrend den Sponton fallen, begann steif und tonlos die Lippen zu bewegen. Sein Blick war leer. Die Übrigen gingen mit steifen, unnatürlichen Schritten wie Automaten zum Tor. Sie nahmen den Balken weg. Schoben die Riegel beiseite.
    Mit lautem Hufschlag stürmten vier Reiter auf den Vorhof.
    Einer hatte schneeweiße Haare, das Schwert in seiner Hand fuhr funkelnd hin und her wie ein Blitz. Der zweite war eine blonde Frau, die im vollen Lauf des Pferdes den Bogen spannte. Der dritte Reiter, ein ganz junges Mädchen, spaltete Stupps mit einem weit ausholenden Hieb die Schläfe.
    Boreas Mun riss den am Boden liegenden Sponton hoch, deckte sich mit dem Schaft. Der vierte Reiter ragte plötzlich über ihm auf. An seinem Helm waren beiderseits die Flügel eines Raubvogels befestigt. Das erhobene Schwert blitzte auf.
    »Lass sein, Cahir«, sagte der Weißhaarige scharf. »Wir wollen Zeit und Blut sparen. Milva, Regis, dorthin   …«
    »Nein«, stammelte Boreas, ohne selbst zu wissen, warum er das tat. »Nicht dorthin   … Dort ist nur eine blinde Trennmauer. Dort müsst ihr entlang, über diese Treppe   … Ins Oberschloss. Wenn ihr die Dame vom See retten wollt   … dann müsst ihr euch beeilen.«
    »Danke«, sagte der Weißhaarige. »Dank dir, Unbekannter. Regis, hast du gehört? Geh voran!«
    Wenig später gab es in dem Vorhof nur noch Leichen. Und Boreas Mun, noch immer auf den Schaft des Spontons gestützt. Den er nicht loslassen konnte, so sehr zitterten ihm die Knie.
    Die Krähen kreisten krächzend über dem

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