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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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paar liefen zur Seite, um die Festgenagelten aus spitzerem Winkel treffen zu können. Geralt fluchte, schätzte die Entfernung bis zur Arkade. Es sah nicht besonders gut aus. Doch zu bleiben, wo sie waren, bedeutete den Tod.
    »Wir springen!«, rief er. »Achtung! Cahir, hilf Angoulême!«
    »Sie machen uns nieder!«
    »Wir springen! Wir müssen!«
    »Nein!«, rief Milva und stand mit dem Bogen in der Faust auf.
    Sie richtete sich auf, stand in Schützenhaltung, die reinste Statue, eine marmorne Amazone mit Bogen. Die Schützen auf der Galerie schrien auf.
    Milva ließ die Sehne los.
    Einer von den Bogenschützen wurde zurückgeschleudert, krachte mit dem Rücken gegen die Wand; auf der Wand erblühte eine Figur von Blutspritzern, die an einen großen Kraken erinnerte. Von der Galerie her erklangen Schreie, ein Geheul von Zorn, Wut und Furcht.
    »Bei der Großen Sonne   …«, stöhnte Cahir. Geralt drückte ihm den Arm.
    »Wir springen! Hilf Angoulême!«
    Die Schützen von der Galerie lenkten den ganzen Beschuss auf Milva. Die Bogenschützin zuckte nicht einmal, obwohl rings um sie der Putz stiebte, Bruchstückchen von Marmor und von zerbrochenen Pfeilspitzen umherflogen. Ruhig ließ sie die Sehne los. Wieder ein Aufschrei, ein zweiter Schütze sackte zusammen wie eine Lumpenpuppe, verspritzte Blut und Hirn über seine Kumpane.
    »Jetzt!«, rief Geralt, als er sah, wie die Wächter von der Galerie flohen, wie sie sich zu Boden warfen, um sich vor den unfehlbaren Pfeilen in Sicherheit zu bringen. Nur die drei Mutigsten schossen noch.
    Eine Pfeilspitze krachte gegen einen Pfeiler, überschüttete Milva mit feinem Kalkstaub. Die Bogenschützin blies die ins Gesicht gefallenen Haare weg, spannte den Bogen.
    »Milva!« Geralt, Angoulême und Cahir hatten die Arkade erreicht. »Lass sein! Flieh!«
    »Noch ein Pfeilchen«, sagte die Bogenschützin, die Fiederung eines Pfeils am Mundwinkel.
    Die Sehne schnellte. Einer der drei Mutigen heulte auf, kippte über das Geländer und stürzte hinab auf die Platten des Hofes. Die Übrigen verließ bei diesem Anblick sogleich der Mut. Sie warfen sich zu Boden und pressten sich an ihn. Diejenigen, die herzuliefen, wagten es nicht, auf die Galerie zu treten und sich Milvas Schüssen auszusetzen.
    Mit einer Ausnahme.
    Milva fiel er sofort auf. Klein, schmächtig, bräunlich. Mit einem abgewetzten, glänzenden Schutzleder am linken Unterarm, einem Schützenhandschuh auf der Rechten. Sie sah, wie er den wohlgeformten Kompositbogen mit dem profilierten, geschnitzten Griffstück hob, wie er ihn mit einer gleitenden Bewegung spannte. Sie sah, wie die vollends gespannte Sehne sein bräunliches Gesicht kreuzte, sah, wie die roten Flugfedern seine Wange berührten. Sie sah, dass er gut zielte.
    Sie riss den Bogen hoch, spannte ihn gleitend, zielte schon beim Spannen. Die Sehne berührte das Gesicht, die Federn den Mundwinkel.
     
    »Kräftig, kräftig, Mariechen. Bis zum Gesicht. Dreh die Sehne mit den Fingern ein, damit dir der Pfeil nicht vom Auflager rutscht. Die Hand kräftig an die Wange. Ziel! Beide Augen auf! Jetzt Luft anhalten. Schuss!«
    Trotz des wollenen Schutzes schlug die Sehne schmerzhaft gegen den linken Unterarm.
    Der Vater wollte etwas sagen, doch Husten überkam ihn. Ein schwerer, trockener, schmerzhafter Husten. Er hustet immer schlimmer, dachte Mariechen Barring, während sie den Bogen sinken ließ. Immer schlimmer und immer öfter. Gestern hatte er zu husten begonnen, als er einen Bock aufs Ziel nahm. Und zum Mittag hatte es deshalb nur gekochte Melde gegeben. Ich hasse gekochte Melde. Ich hasse den Hunger. Und die Armut.
    Der alte Barring sog rasselnd die Luft ein. »Einen Fuß neben die Mitte ist dein Pfeil gegangen, Mädel! Einen ganzen Fuß! Ich hab doch vorher gesagt, du sollst nicht so wackeln, wenn du die Sehne loslässt! Und du ruckelst, als ob dir ’ne Schnecke zwischen die Hinterbacken gekrochen ist. Und zielst zu lange. Schießt mit ermüdeter Hand! Vergeudest bloß Pfeile!«
    »Aber ich hab getroffen! Und gar keinen Fuß von der Mitte, sondern bloß ’nen halben.«
    »Reiß den Schnabel nicht auf! Was haben mich die Götter bloß gestraft, haben mir statt eines Sohnes ein blöde Tochter gegeben!«
    »Ich bin nicht blöd!«
    »Das werden wir gleich sehen. Schieß noch ein Pfeilchen. Und denk dran, was ich dir gesagt hab. Du musst stehen wie in den Boden gerammt. Schnell zielen und schießen. Was verziehst du das Gesicht?«
    »Weil Ihr mit mir

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