Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
schimpft.«
»Mein Recht als Vater. Schieß.«
Sie spannte den Bogen, schmollend und den Tränen nahe. Er bemerkte es.
»Ich hab dich lieb, Mariechen«, sagte er tonlos. »Denk immer daran.«
Sie ließ die Sehne los, sobald die Fiederung den Mundwinkel berührte.
»Gut«, sagte der Vater. »Gut, Tochter.«
Und er begann schrecklich, keuchend zu husten.
Der bräunliche Schütze von der Galerie verschwand auf der Stelle. Milvas Pfeil hatte ihn unter der linken Achsel getroffen und war tief eingedrungen, mehr als den halben Schaft weit, hatte Rippen zerschmettert, Lunge und Herz zerrissen.
Der einen Sekundenbruchteil vorher abgeschossene, rot gefiederte Pfeil des bräunlichen Schützen traf Milva tief in den Bauch und kam am Rücken wieder heraus, nachdem er das Becken durchschlagen, Därme und Arterien zerrissen hatte. Die Bogenschützin stürzte zu Boden wie von einem Rammbock gefällt.
Geralt und Cahir schrien wie ein Mann auf. Ohne sich darum zu scheren, dass die Schützen von der Galerie, als sie Milva fallen sahen, wieder zu den Bögen gegriffen hatten, sprangen sie unter dem sie deckenden Portikus hervor, packten die Bogenschützin und schleiften sie durch den Pfeilhagel. Eine Pfeilspitze schlug klingend gegen Cahirs Helm. Eine andere, hätte Geralt schwören mögen, zog ihm einen neuen Scheitel durch die Haare.
Milva hinterließ einen breiten und glänzenden Streifen Blut. An der Stelle, wo sie sie hinlegten, breitete sich im Handumdrehen auf dem Fußboden eine riesige Lache aus. Cahir fluchte, seine Hände zitterten. Geralt fühlte, wie Verzweiflung ihn ergriff. Und Wut.
»Tante!«, heulte Angoulême auf. »Tante, stirb niiicht!«
Maria Barring öffnete den Mund, hustete makaber, spuckte sich Blut aufs Kinn.
»Ich hab dich auch lieb, Papa«, sagte sie ganz deutlich.
Und starb.
Die kahlgeschorenen Akoluthen kamen nicht mit der zappelnden und schreienden Ciri zurecht, Knechte eilten ihnen zu Hilfe. Einer, von einem gut gezielten Fußtritt getroffen, sprang weg, krümmte sich und sank auf die Knie, beide Hände in den Schritt gepresst und nach Luft schnappend.
Doch das machte die anderen nur noch wütender. Ciri bekam Schläge mit der Faust in den Nacken, mit der flachen Hand ins Gesicht. Sie wurde umgedreht, jemand trat ihr gründlich gegen die Hüfte, jemand setzte sich ihr auf die Waden. Einer von den Akoluthen, ein junger Typ mit bösen grüngoldenen Augen, kniete sich ihr auf die Brust, krallte die Finger in ihre Haare und riss heftig. Ciri heulte auf.
Der Akoluth heulte ebenfalls auf. Und machte Glotzaugen. Ciri sah, wie ihm vom kahlgeschorenen Kopf Ströme von Blut flossen und den weißen Kittel mit einem makabren Muster verunzierten.
In der nächsten Sekunde brach im Laboratorium die Hölle los.
Krachend stürzten Möbel um. Das durchdringende Geräusch berstenden und splitternden Glases floss mit dem wahnsinnigen Geheul von Menschen zusammen. Die sich auf Tische und Fußboden ergießenden Absude, Filtrate, Elixiere, Extrakte und anderen magischen Substanzen vermischten und verbanden sich, manche zischten beim Kontakt und stießen Wolken von gelbem Rauch aus. Der Raum füllte sich augenblicklich mit einem beißenden Gestank.
Inmitten des Rauches, durch die von dem Qualm hervorgerufenen Tränen hindurch sah Ciri entsetzt, wie in dem Laboratorium mit unheimlicher Geschwindigkeit eine schwarze Gestalt hin und her huschte, die einer riesigen Fledermaus ähnelte. Siesah, wie die Fledermaus im Flug auf Menschen niederstieß, sah, wie jene schreiend zu Boden stürzten. Vor ihren Augen wurde ein Knecht, der zu fliehen versuchte, vom Boden hochgerissen und auf einen Tisch geschleudert, wo er sich herumwarf, Blut versprühte und sich zwischen zerbrochenen Retorten, Alambiks, Reagenzgläsern und Kolben wand.
Die ausgegossenen Mixturen spritzten auf die Lampe. Es zischte, begann zu stinken, und im Laboratorium explodierte plötzlich irgendetwas, und die Hitzewelle des Feuers ließ den Rauch verwehen. Ciri biss die Zähne zusammen, um nicht loszuschreien.
Auf dem stählernen Sessel, dem, der für sie bestimmt war, saß ein schmächtiger, graumelierter, in elegantes Schwarz gekleideter Mann. Der Mann biss seelenruhig in den Hals eines ihm überm Knie hängenden kahlgeschorenen Akoluthen, sog. Der Akoluth schrie mit dünner Stimme und zuckte krampfhaft, die ausgestreckten Füße und Hände zuckten ihm rhythmisch.
Leichenblaue Flammen tanzten auf der blechbeschlagenen Tischplatte. Retorten
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