Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
ließ sich neben ihr auf die Knie fallen, nahm den Schal des Mädchens, dann den Gürtel, versuchte einen Druckverband anzulegen. Doch die Wunde war zu groß. Und zu nahe an der Leiste. Das Blut hörte nicht auf zu fließen.
Das Mädchen packte sie bei der Hand. Ihre Finger waren eiskalt.
»Ciri …«
»Ja.«
»Ich bin Angoulême. Ich habe nicht geglaubt … Nicht geglaubt, dass wir dich finden. Aber ich bin Geralt gefolgt … Denn ihm muss man einfach folgen. Weißt du?«
»Ich weiß. So ist er nun mal.«
»Wir haben dich gefunden. Und gerettet. Und Fringilla hat uns verspottet … Sag mir …«
»Red nicht. Bitte.«
»Sag …« Angoulême bewegte die Lippen immer langsamer und mit immer größerer Mühe. »Sag, du bist doch eine Königin … In Cintra … Wir werden bei dir in Gnaden sein, ja? Machst du aus mir eine … Gräfin? Sag. Aber lüg nicht. Kannst du das? Sag!«
»Red nicht. Schon deine Kräfte.«
Angoulême seufzte, beugte sich plötzlich vor und lehnte die Stirn auf Ciris Schulter. »Ich wusste …«, sagte sie ganz deutlich.»Ich wusste, verdammt, dass das Bordell in Toussaint der beste Einfall meines Lebens war.«
Es dauerte eine ganze Weile, ehe Ciri aufging, dass sie ein totes Mädchen in den Armen hielt.
Sie sah ihn, wie er näher kam, begleitet von den toten Blicken der die Arkaden stützenden Karyatiden. Und plötzlich begriff sie, dass Flucht unmöglich war, dass man vor ihm nicht fliehen konnte. Dass sie ihm würde die Stirn bieten müssen. Sie wusste es.
Doch sie hatte immer noch zu große Furcht vor ihm.
Sie zog die Waffe. Schwalbes Schneide sang leise. Sie kannte diesen Gesang.
Sie wich durch einen breiten Korridor zurück, und er folgte ihr, das Schwert in beiden Händen. Von der Schneide rann Blut, fiel in schweren Tropfen von der Parierstange.
»Eine Leiche«, stellte er fest, als er über den Körper Angoulêmes trat. »Gut so. Der junge Mann hat auch schon ins Gras gebissen.«
Ciri fühlte, wie Verzweiflung sie ergriff. Wie ihre Finger schmerzhaft den Griff umklammerten. Sie wich zurück.
»Du hast mich betrogen«, sagte Bonhart langsam, während er ihr folgte. »Der junge Mann hatte kein Medaillon. Aber etwas sagt mir, dass sich hier im Schloss jemand finden wird, der ein Medaillon trägt. Es wird sich so einer finden, dafür legt der alte Leo Bonhart die Hand ins Feuer, irgendwo in der Nähe der Hexe Yennefer. Aber eins nach dem anderen, Schlange. Zu allererst wir. Du und ich. Und unsere Hochzeit.«
Ciri entschloss sich. Sie schlug mit Schwalbe einen kurzen Bogen und ging in Positur. Sie begann im Halbkreis zu gehen, immer schneller, und zwang den Jäger, sich auf der Stelle zu drehen.
»Letztes Mal«, sagte er, »hat dir dieses Kunststück nicht viel genützt. Was ist? Kannst du aus Fehlern nicht lernen?«
Ciri beschleunigte den Schritt. Mit fließenden, sanften Bewegungen der Klinge machte sie Mühlen und Finten, täuschte und hypnotisierte.
Bonhart schlug mit dem Schwert eine Mühle, dass es sauste. »Das wirkt bei mir nicht«, knurrte er. »Und es langweilt mich!«
Mit zwei kurzen Schritten verkürzte er die Distanz. »Spiel, Musik!«
Er sprang, führte einen scharfen Hieb. Ciri drehte sich mit einer Pirouette weg, hob ab, landete sicher auf dem linken Fuß, schlug sofort zu, ohne in Positur zu gehen; noch ehe die Klinge auf Bonharts Parade traf, wirbelte sie schon herum, tauchte glatt unter einem pfeifenden Hieb hindurch. Sie schlug noch einmal zu, ohne auszuholen, aus einer unnatürlichen, überraschenden Krümmung des Ellenbogens heraus. Bonhart parierte, nutzte den Schwung der Parade, um sofort von links zuzuschlagen. Sie hatte das erwartet, sie brauchte nur leicht die Knie zu beugen und den Körper zu neigen, um der Schneide um den Bruchteil eines Zolls auszuweichen. Augenblicklich schlug sie einen kurzen Konter. Doch diesmal erwartete er sie, täuschte sie mit einer Finte. Die ausbleibende Parade ließ sie um ein Haar das Gleichgewicht verlieren; sie rettete sich mit einem blitzschnellen Sprung zurück, dennoch streifte sein Schwert sie an der Schulter. Sie dachte sofort, die Schneide habe nur den wattierten Ärmel aufgeschlitzt, doch wenig später fühlte sie in der Achsel und am Arm eine warme Flüssigkeit.
Die Karyatiden aus Alabaster beobachteten die beiden mit gleichgültigen Augen.
Sie wich zurück, und er folgte ihr vorgebeugt, vollführte mit dem Schwert weite Sensenhiebe. Wie der knochige Tod, den Ciri auf
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