Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Keinerlei Ähnlichkeit mit Pavetta … Hmm … Es gehen Gerüchte … Aber nein, das ist unmöglich. Das muss königliches Blut sein, die rechtmäßige Herrscherin Cintras. Muss. Die Staatsräson erfordert das. Und die Geschichte.
Das ist nicht die, die ich in den Träumen gesehen habe, dachte der unlängst in Cintra eingetroffene Esterad Thyssen, der König von Kovir. Das ist ganz entschieden nicht sie. Aber das werde ich niemandem sagen. Das behalte ich für mich und meine Suleyka. Zusammen mit meiner Suleyka werde ich entscheiden, wie wir das Wissen nutzen, das uns die Träume gegeben haben.
Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre meine Frau geworden, diese Ciri, dachte Kistrin von Verden. Dann wäre ich Fürst von Cintra, nach dem Brauch der Thronfolger … Und ich wäre gewissumgekommen wie Calanthe. Gut, oje, gut hat es sich gefügt, dass sie mir damals davongelaufen ist.
Ich habe keinen Moment lang an die Geschichte von der großen Liebe auf den ersten Blick geglaubt, dachte Shilard Fitz-Oesterlen. Keinen Moment. Und trotzdem heiratet Emhyr dieses Mädchen. Er vergibt die Möglichkeit, sich mit den Fürsten zu versöhnen, indem er statt einer ihrer Töchter Cirilla von Cintra zur Frau nimmt. Warum? Um dieses kleine, armselige Ländchen unter seine Herrschaft zu bringen, von dem ich bei den Verhandlungen ohnehin die Hälfte, wenn nicht mehr, für das Kaiserreich gewonnen hätte? Um die Mündung der Jaruga unter seine Kontrolle zu bringen, die sich sowieso schon unter Kontrolle der Nilfgaarder-Nowigrader-Kovirischen Seehandelsgesellschaften befindet?
Ich begreife nichts von solch einer Staatsräson, nichts.
Ich argwöhne, man sagt mir nicht alles.
Die Zauberinnen, dachte Dijkstra. Das ist das Werk der Zauberinnen. Aber soll es so sein. Offensichtlich war es vorherbestimmt, dass Ciri Königin von Cintra, Emhyrs Frau und Kaiserin von Nilfgaard wird. Offensichtlich wollte es die Vorsehung so. Das Schicksal.
Soll es so sein, dachte Triss Merigold. Soll es so geschehen. Sehr gut ist es geworden. Ciri wird jetzt in Sicherheit sein. Sie werden sie vergessen. Sie in Ruhe lassen.
Das Porträt befand sich endlich an seinem Platz, die Knechte, die es aufgehängt hatten, traten zurück, nahmen die Leitern weg.
In der langen Reihe der nachgedunkelten und etwas staubigen Konterfeis der Herrscher von Cintra, hinter der Kollektion von Cerbins und Cerams, hinter Corbett, Dagorad und Roegner, hinter der stolzen Calanthe, der melancholischen Pavetta hing das letzte Porträt. Das die gegenwärtige in Gnaden herrschende Monarchin darstellte. Die Erbin des Throns und des königlichen Blutes.
Das Porträt eines schmächtigen Mädchens mit hellem Haar und traurigem Blick. In einem weißen Kleid mit grünen Ärmeln.
Cirilla Fiona Elen Riannon.
Königin von Cintra und Kaiserin von Nilfgaard.
Die Vorherbestimmung, dachte Philippa Eilhart, die Dijkstras Blick spürte.
Armes Kind, dachte Dijkstra, der auf das Bild blickte. Es denkt sicherlich, jetzt sind seine Missgeschicke und Fährnisse ausgestanden. Armes Kind.
Die Glocken von Cintra läuteten und schreckten die Möwen auf.
»Kurz nach Abschluss der Verhandlungen und Unterzeichnung des Friedensvertrages von Cintra«, nahm der Pilger seine Erzählung wieder auf, »fanden in Nowigrad pompöse mehrtägige Feierlichkeiten statt, ein Fest, dessen Krönung eine große und feierliche Truppenparade war. Der Tag, wie es sich für den ersten Tag einer neuen Epoche gehört, war wirklich schön …«
»Soll das heißen«, erkundigte sich der Elf sarkastisch, »dass Ihr dort anwesend wart? Bei jener Parade?«
»Genau genommen hatte ich mich ein wenig verspätet.« Der Pilger gehörte offensichtlich nicht zu denen, denen Sarkasmus etwas ausmachte. »Der Tag, wie gesagt, war schön. Das versprach er schon vom frühesten Morgen an zu werden.«
Vascoigne, der Kommandant von Fort Drakenborg, unlängst noch Stellvertreter des Kommandanten für politische Angelegenheiten, schlug sich ungeduldig mit der Reitgerte gegen den Stiefelschaft. »Schneller dort, schneller«, drängte er. »Die nächsten warten! Nach diesem Friedensschluss in Cintra haben wir alle Hände voll zu tun!«
Die Henker, die den Verurteilten die Schlingen um die Hälse gelegt hatten, traten zurück. Vascoigne schlug mit der Reitgertegegen den Stiefelschaft. »Wenn jemand etwas zu sagen hat«, erklärte er trocken, »dann ist jetzt die letzte Gelegenheit dazu.«
»Es lebe die Freiheit«, sagte
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