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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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kennt meinen Geschmack. Also hat sie das Püppchen erneut nach meinem Geschmack ausstaffiert. Aber was soll ich mit einem Püppchen anfangen? Auf den Kamin stellen?
    »Edle Damen.« Er verbeugte sich als Erster. Außerhalb des Thronsaals war Höflichkeit gegenüber Frauen in Nilfgaard sogar für den Kaiser verbindlich.
    Sie antworteten mit tiefen Knicksen und gesenkten Köpfen. Sie standen vor einem höflichen Mann, der aber trotzdem der Kaiser war.
    Emhyr hatte genug vom Protokoll. »Bleib hier, Stella«, befahl er trocken. »Und du, Mädchen, wirst mich auf einem Spaziergang begleiten. Da ist mein Arm. Kopf hoch. Genug, genug geknickst. Wir gehen nur spazieren.«
    Sie gingen eine schmale Allee entlang, zwischen noch kaum belaubten Sträuchern und Hecken. Die kaiserliche Leibwache, die Soldaten der elitären Gardebrigade »Impera«, die berühmten Salamander, hielten sich abseits, aber immer in Bereitschaft.Sie wussten, wann man den Kaiser nicht stören durfte.
    Sie kamen an einem Teich vorüber, verwaist und traurig. Der uralte Karpfen, den Kaiser Torres ausgesetzt hatte, war vor zwei Tagen eingegangen. Ich werde einen neuen aussetzen, jung, stark, mit schönen Schuppen, dachte Emhyr var Emreis, ich werde ihm eine Medaille mit meinem Konterfei und dem Datum anheften lassen.
Vaesse deireadh aep eigean.
Etwas ist zu Ende gegangen, etwas beginnt. Das ist eine neue Ära. Eine neue Zeit. Ein neues Leben. Also soll es, zum Kuckuck, auch einen neuen Karpfen geben.
    In Gedanken versunken, hatte er das Mädchen beinahe vergessen, das er untergehakt hatte. In Erinnerung brachten sie ihm ihre Wärme, ihr Maiglöckchenduft, das Staatsinteresse. In dieser und keiner anderen Reihenfolge.
    Sie standen vor dem Teich, in dem sich eine künstliche Insel aus dem Wasser erhob, darauf ein Steingarten, ein Springbrunnen und eine Marmorskulptur.
    »Weißt du, was diese Figur darstellt?«
    Sie antwortete nicht sofort. »Ja, Euer Kaiserliche Majestät. Das ist ein Pelikan, der sich mit dem Schnabel die Brust aufreißt, um mit dem Blut seine Jungen zu füttern. Es ist eine Allegorie auf edelmütige Aufopferung. Und außerdem   …«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Außerdem auf große Liebe.«
    »Glaubst du« – er drehte sie zu sich, presste die Lippen zusammen   –, »dass die aufgerissene Brust deswegen weniger schmerzt?«
    »Ich weiß nicht«, stammelte sie. »Euer Kaiserliche Majestät   … Ich   …«
    Er nahm ihre Hand. Fühlte, wie sie zitterte; das Zittern setzte sich über seine Hand fort, den Arm, die Schulter.
    »Mein Vater«, sagte er, »war ein großer Herrscher, aber der Sinn stand ihm nie nach Mythen und Legenden, er hatte nie Zeitdafür. Und er verwechselte sie ständig. Jedesmal – ich weiß das noch wie heute   –, wenn er mich hierher in den Park führte, sagte er, die Skulptur stelle den Pelikan dar, der aus der Asche aufersteht. Na, Mädchen, lächle wenigstens, wenn der Kaiser Schnurren erzählt. Danke. Viel besser. Der Gedanke wäre mir nicht lieb, dass du ungern mit mir spazieren gehst. Schau mir in die Augen.«
    »Ich bin froh   … dass ich hier sein kann   … mit Eurer Kaiserlichen Majestät. Das ist eine große Ehre für mich, ich weiß   … Aber auch eine große Freude. Ich freue mich   …«
    »Wirklich? Oder ist das vielleicht nur höfische Schmeichelei? Etikette, die gute Schule Stella Congreves? Eine Sache, die Stella dich hat auswendig lernen lassen? Heraus mit der Sprache, Mädchen.«
    Sie schwieg, senkte den Blick.
    »Dein Kaiser hat dir eine Frage gestellt«, wiederholte Emhyr var Emreis. »Und wenn der Kaiser fragt, wagt niemand zu schweigen. Zu lügen, versteht sich, auch nicht.«
    »Wirklich«, sagte sie melodisch. »Ich freue mich wirklich, Euer Kaiserliche Majestät.«
    »Ich glaube dir«, sagte Emhyr nach einer Weile. »Ich glaube dir. Obwohl ich mich wundere.«
    »Ich auch   …«, erwiderte sie flüsternd. »Ich wundere mich auch.«
    »Wie bitte? Etwas mutiger bitte.«
    »Ich würde gern öfter   … spazieren gehen. Und mich unterhalten. Aber ich verstehe   … Ich verstehe, dass das unmöglich ist.«
    »Du verstehst richtig.« Er biss sich auf die Lippen. »Kaiser herrschen über das Imperium, aber über zweierlei haben sie keine Herrschaft: ihr Herz und ihre Zeit. Das eine wie das andere gehört dem Reich.«
    »Ich weiß das«, flüsterte sie, »nur allzu gut.«
    »Ich werde mich nicht lange hier aufhalten«, sagte er nachkurzem Schweigen. »Ich muss nach Cintra reisen, mit

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