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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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zwei Monate zugebracht hatte, himmelweit überlegen, dennoch konnten einem die Zähne klappern. Im Verlies hatte sie jegliche Zeitrechnung verloren, auch später hatte sich niemand beeilt, sie über das Datum zu informieren, doch sie war sich sicher, dass es Winter war, Dezember, vielleicht sogar Januar.
    »Iss, Yennefer«, sagte Vilgefortz. »Iss bitte, zier dich nicht.«
    Die Zauberin dachte gar nicht daran, sich zu zieren. Wenn sie aber ziemlich langsam und unbeholfen mit dem Hähnchen zurechtkam, so nur, weil ihre kaum verheilten Finger immer noch ungeschickt und steif waren, sie konnte nur mit Mühe Messer und Gabel halten. Doch mit den Fingern wollte sie nicht essen: Sie trachtete danach, Vilgefortz und den anderen am Tische   – Gästen des Zauberers, von denen sie keinen einzigen kannte – ihre Überlegenheit zu beweisen.
    »Ich muss dir mit aufrichtigem Bedauern mitteilen«, sagte Vilgefortz, während er mit den Fingern über den Fuß des Kelchs strich, »dass Ciri, deine Schutzbefohlene, diese Welt verlassen hat. Die Schuld daran kannst du dir ausschließlich selbst geben, Yennefer. Und deiner sinnlosen Halsstarrigkeit.«
    Einer der Gäste, ein nicht besonders großer, dunkelhaariger Mann, nieste heftig, schnäuzte sich in ein Batisttüchlein. Seine Nase war geschwollen, gerötet und offensichtlich gründlich verstopft.
    »Gesundheit«, sagte Yennefer, die sich überhaupt nicht um die bedrohlichen Worte Vilgefortz’ scherte. »Woher habt Ihr diese schreckliche Erkältung, lieber Herr? Habt Ihr nach dem Bad im Zug gestanden?«
    Der zweite Gast, älter, hochgewachsen, hager, mit widerwärtig blassen Augen, begann plötzlich brüllend zu lachen. Der Erkältete jedoch verzog zwar wütend das Gesicht, dankte der Zauberin jedoch mit einer Verbeugung und einem kurzen verschnupften Satz. Nicht kurz genug, als dass ihr der Nilfgaarder Akzent entgangen wäre.
    Vilgefortz wandte ihr das Gesicht zu. Er trug das goldene Gestell nicht mehr auf dem Kopf, auch nicht den Kristall in der Augenhöhle, doch er sah noch schlechter aus als damals im Sommer, als sie ihn zum ersten Mal verkrüppelt gesehen hatte. Der regenerierte linke Augapfel funktionierte bereits, war aber wesentlich kleiner als der rechte. Der Anblick ließ den Atem stocken.
    »Du, Yennefer«, sagte er mit Nachdruck, »glaubst sicherlich, dass ich lüge, dass ich dich umgarne, zu täuschen versuche. Wozu sollte ich das tun? Die Nachricht vom Tode Ciris hat mich ebenso betrübt wie dich, was sage ich, mehr als dich. Letzten Ende hatte ich mit dem Mädchen sehr konkrete Hoffnungen verbunden, Pläne gemacht, die über meine Zukunft entscheiden sollten. Jetzt lebt das Mädchen nicht mehr, und meine Pläne sind gescheitert.«
    »Das ist gut.« Yennefer, die mit Mühe das Messer in den steifen Fingern hielt, schnitt den mit Pflaumen gefüllten Schweinsrücken.
    »Dich hingegen«, fuhr der Zauberer fort, ohne den Kommentar zu beachten, »verband mit Ciri nur ein dummes Sentiment, das zu gleichen Teilen aus Trauer ob der eigenen Unfruchtbarkeit und aus Schuldgefühl bestand. Ja, ja, Yennefer, Schuldgefühl! Du hattest dich ja aktiv daran beteiligt, die Partner miteinander zu kreuzen, die Zucht zu betreiben, in deren Ergebnis Ciri zur Welt kam. Und du hast deine Gefühle auf die Frucht des genetischen Experiments übertragen, das übrigens misslungen ist. Weil es den Experimentatoren an Kenntnissen mangelte.«
    Yennefer prostete ihm schweigend mit dem Weinglas zu, wobei sie im Stillen betete, dass es ihr nicht aus den Fingern glitt. Sie kam allmählich zu dem Schluss, dass mindestens zwei davon noch sehr lange steif bleiben würden. Vielleicht auf Dauer.
    Vilgefortz winkte ab. »Jetzt ist es zu spät, es ist passiert«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Du sollst aber wissen, Yennefer, dass ich diese Kenntnisse besessen habe. Hätte ich auch das Mädchen gehabt, hätte ich aus den Kenntnissen Nutzen gezogen. In der Tat, du solltest es bedauern; ich hätte deiner verunstalteten Stellvertreterin Mutterinstinkte beigebracht. Obwohl du ja verdorrt bist und steril wie ein Stein, hättest du durch mich nicht nur eine Tochter, sondern auch eine Enkelin bekommen. Oder wenigstens jemanden anstelle einer Enkelin.«
    Yennefer schnaubte abfällig, obwohl sie innerlich schon vor Wut kochte.
    »Zu meinem größten Bedauern muss ich dir die gute Laune verderben, meine Liebe«, sagte der Zauberer kalt. »Denn dich wird ja wohl die Nachricht betrüben, dass auch der Hexer

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