Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Güte, zur Feier des Friedens, der, wie bekannt wurde, in der Stadt Cintra geschlossen wurde, vergibt Ihre Gnaden dem Vicomte Julian Alfred Pankraz de Lettenhove alias Rittersporn seine Verfehlungen und begnadigt ihn …«
»Das liebe Wieselchen«, sagte Rittersporn und grinste breit.
»… und befiehlt zugleich, dass besagter Vicomte Julian Pankraz
et cetera
unverzüglich die Hauptstadt und das Gebiet des Fürstentums Toussaint verlassen und nie mehr zurückkehren soll, denn er ist Ihrer Gnaden zuwider, und Ihre Gnaden kann ihn nicht mehr sehen! Ihr seid frei, Vicomte.«
»Und mein Besitz?«, schrie Rittersporn. »He? Meine Güter, Haine, Wälder und Schlösser könnt ihr behalten, aber gebt mir, dass euch der Schlag treffe, meine Laute heraus, das Pferd Pegasus,die einhundertvierzig Taler und achtzig Heller, den mit Schupp gefütterten Mantel, den Ring …«
»Halt den Mund!«, rief Geralt und trieb das Pferd durch die schimpfende und widerwillig beiseitetretende Menge. »Halt den Mund, komm runter und hierher, du Blödmann! Ciri, mach eine Gasse frei! Rittersporn! Hörst du, was ich dir sage?«
»Geralt? Bist du das?«
»Frag nicht, komm runter! Zu mir! Spring auf’s Pferd!«
Sie schoben sich durch das Gedränge, galoppierten dann eine enge Gasse entlang, Ciri voran, hinter ihr Geralt und Rittersporn auf Plötze.
»Wozu diese Eile?«, ließ sich der Barde hinter dem Rücken des Hexers vernehmen. »Niemand verfolgt uns.«
»Vorläufig. Deine Fürstin neigt dazu, ihre Meinung zu ändern und plötzlich zu widerrufen, was sie zuvor festgelegt hat. Gib zu, du wusstest von dieser Begnadigung?«
»Nein, wusste ich nicht«, murmelte Rittersporn. »Aber ich gestehe, ich habe darauf gezählt. Wieselchen ist lieb und hat ein gutes Herzchen.«
»Hör auf mit diesem Wieselchen, verdammt. Eben erst hast du dich um Haaresbreite aus einer Majestätsbeleidigung herausgewunden; willst du bei einem Rückfall erwischt werden?«
Der Troubadour verstummte. Ciri hielt Kelpie zurück, wartete auf die beiden. Als sie gleichauf waren, schaute sie Rittersporn an und wischte sich die Tränen fort. »Ach, du …«, sagte sie. »Du … Pankraz …«
»Weiter«, drängte der Hexer. »Verlassen wir Stadt und Gebiet dieses bezaubernden Fürstentums. Solange wir noch können.«
Fast an der Grenze von Toussaint, an einer Stelle, von wo aus schon der Berg Gorgo zu sehen war, holte sie ein reitender Bote der Fürstin ein. Er führte den gesattelten Pegasus am Zügel mit, hatte Laute, Mantel und Ring Rittersporns dabei. Die Frage nach den einhundertvierzig Talern und achtzig Hellern ignorierteer. Die Bitte des Barden, der Fürstin ein Küsschen zu übermitteln, hörte er steinernen Gesichts an.
Sie ritten den Sansretour stromauf, der jetzt schon ein kleines und lebhaftes Flüsschen war. Sie machten einen Bogen um Belhaven.
Sie lagerten im Tal der Newi. An einem Ort, dessen sich der Hexer und der Barde erinnerten.
Rittersporn hielt es sehr lange aus. Er stellte keine Fragen.
Aber schließlich musste man ihm alles erzählen.
Und ihm im Schweigen Gesellschaft leisten. In der widerwärtigen, schweren, wie ein Geschwür vereiterten Stille, die nach der Erzählung eintrat.
Zu Mittag des folgendes Tages waren sie am Nordfall, in der Nähe von Riedbrune. In der ganzen Gegend herrschten Ruhe und Ordnung. Die Leute waren höflich und hilfsbereit. Man spürte die Sicherheit.
Überall standen Galgen, schwer von Gehängten.
Sie umgingen die Stadt und schlugen die Richtung nach Dol Angra ein.
»Rittersporn!« Erst jetzt bemerkte Geralt, was er schon längst hätte bemerken müssen. »Dein unschätzbarer Tubus! Deine Jahrhunderte Poesie! Der Bote hatte sie nicht. Sie sind in Toussaint geblieben!«
»Sind sie«, bestätigte der Barde gleichmütig. »In der Garderobe von Wieselchen, unter einem Haufen Kleider, Schlüpfer und Korsetts. Und da sollen sie in Ewigkeit liegen bleiben.«
»Möchtest du das erklären?«
»Was gibt es da zu erklären? In Toussaint hatte ich Zeit genug, gründlich durchzulesen, was ich geschrieben hatte.«
»Und?«
»Ich schreibe es noch einmal. Von vorn.«
»Verstehe.« Geralt nickte. »Kurzum, du hast dich als ebenso miserabler Schriftsteller erwiesen wie als Favorit. Weniger nettgesagt: Was immer du in die Hand nimmst, vermasselst du. Na, dein
Halbes Jahrhundert
kannst du vielleicht noch berichtigen und von neuem schreiben, aber bei der Fürstin Anarietta hast du gründlich
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