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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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dem Schafott breiteten vier abgerissene Straßenmädchen ein Tuch aus, um Blut damit aufzufangen. Es bestand große Nachfrage nach derlei Souvenirs, man konnte recht gut damit verdienen.
    »Geralt« – Ciri hielt der Kopf gesenkt   –, »wir müssen etwas tun   …«
    Er antwortete nicht.
    »Ich will zum Volk sprechen«, erklärte Rittersporn stolz.
    »Aber fasst Euch kurz, Vicomte.«
    Der Dichter stellte sich an den Rand des Blutgerüsts, hob die Hände. Die Menge begann zu raunen und wurde still.
    »He, Leute!«, rief Rittersporn. »Was hört man so? Wie geht’s euch?«
    »Na ja, man wurstelt sich durch«, murmelte nach langem Schweigen jemand weiter hinten.
    »Na immerhin.« Der Dichter nickte. »Freut mich zu hören. Tja, jetzt können wir anfangen.«
    »Meister Nachrichter«, sagte der Trauerkloß mit künstlicher Emphase. »Tu deine Pflicht!«
    Der Henker trat herzu, kniete nach althergebrachtem Brauch vor dem Verurteilten nieder und senkte den von der Kappe verhüllten Kopf. »Vergib mir, guter Mann«, bat er mit Grabesstimme.
    »Ich?«, wunderte sich Rittersporn. »Dir?«
    »Hmja.«
    »Mein Lebtag.«
    »Hä?«
    »Mein Lebtag werde ich dir nicht vergeben. Wie käme ich denn dazu? Seht ihn euch an, den Scherzbold! Gleich wird er mir den Kopf abhacken, und ich soll ihm das vergeben? Macht Ihr Euch lustig über mich, oder was? In so einem Augenblick?«
    »Ja wieso denn, Herr?« Der Meister Hämmerlein war verblüfft. »So ist doch das Recht   … und der Brauch   … Der Verurteilte muss dem Henker im Voraus vergeben. Lieber Herr! Vergib mir die Schuld, verzeih die Sünde   …«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Nein!«
    »Ich werde ihn nicht hinrichten«, erklärte der Henker missmutig, während er sich von den Knien erhob. »Er soll mir vergeben, der   …sohn, sonst wird daraus nichts.«
    »Herr Vicomte« – der traurige Beamte fasste Rittersporn am Ellenbogen   –, »macht keine Schwierigkeiten. Die Leute haben sich versammelt, sie warten   … Vergebt Ihm, er bittet doch höflich   …«
    »Ich vergebe nicht, und basta!«
    Der Trauerkloß trat zu dem Henker. »Meister Nachrichter. Ihr werdet ihn ohne Vergebung köpfen, was? Ich werde Euch das entgelten.«
    Der Henker streckte ohne ein Wort die Hand aus, groß wie eine Suppenschüssel. Der Trauerkloß seufzte, griff nach der Geldkatze und schüttete Münzen auf die Hand. Der Meister Hämmerlein betrachtete sie eine Weile, dann schloss er die Faust. Die Augen hinter der Kappe blitzten bedrohlich auf.
    »Gut«, sagte er, während er das Geld wegsteckte und sich dem Dichter zuwandte. »Also dann kniet Euch schon hin, störrischer Herr. Legt schon den Kopf auf den Klotz, boshafter Herr. Ich kann, wenn ich will, auch boshaft sein. Ich werde Euch mit zwei Schlägen enthaupten. Wenn ich es schaffe, mit drei.«
    »Ich vergebe!«, schrie Rittersporn auf. »Ich verzeihe!«
    »Danke.«
    »Wenn er vergeben hat«, sagte der traurige Beamte mürrisch, »dann gebt das Geld zurück.«
    Der Henker wandte sich um und hob das Beil. »Tretet beiseite, gnäd’ger Herr«, sagte er feindselig mit dumpfer Stimme. »Macht euch nicht in der Nähe des Werkzeugs zu schaffen. Ihr wisst doch, wo Köpfe abgeschlagen werden, fliegen Ohren umher.«
    Der Beamte wich heftig zurück, so dass er um ein Haar vom Schafott gefallen wäre.
    »Also gut?« Rittersporn kniete sich hin und reckte den Hals über den Klotz. »Meister? He, Meister?«
    »Was?«
    »Ihr habt Spaß gemacht, nicht wahr? Ihr schlagt ihn mit einem Mal ab? Mit einem Hieb? Was?«
    Der Henker ließ die Augen blitzen. »Es wird eine Überraschung«, knurrte er drohend.
    Die Menge begann plötzlich zu wogen, machte einem auf den Platz drängenden Reiter auf schaumbedecktem Pferde Platz.
    »Halt!«, rief der Reiter und winkte mit einer großen, mit roten Siegeln behängten Pergamentrolle. »Hinrichtung anhalten! Befehl der Fürstin! Aus dem Weg! Die Hinrichtung anhalten! Ich bringe die Begnadigung des Verurteilten!«
    »Schon wieder?«, knurrte der Henker und ließ das schon erhobene Beil sinken. »Wieder Begnadigung? Das wird ja langweilig.«
    »Gnade! Gnade!«, begann die Menge zu brüllen. Die Weiber aus der ersten Reihe begannen noch lauter zu lamentieren. Einige wenige Personen, größtenteils Minderjährige, pfiffen und heulten missbilligend.
    »Schweigt still, edle Herren und Bürger!«, schrie der Bote, während er das Pergament entrollte. »Also lautet der Wille Ihrer Gnaden Anna Henrietta! In ihrer unermesslichen

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