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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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verschissen. Pfui, ein in Schanden davongejagter Liebhaber. Ja, ja, du brauchst gar nicht das Gesicht zu verziehen! Es war dir nicht bestimmt, Prinzgemahl in Toussaint zu werden, Rittersporn.«
    »Das werden wir noch sehen.«
    »Auf mich zähl nicht. Ich habe nicht vor, mir das anzusehen.«
    »Dich bittet ja auch niemand darum. Ich will dir aber sagen, dass Wieselchen ein gutes und verständnisvolles Herzchen hat. Freilich, es hat sie ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht, als sie mich mit der jungen Baronesse Nique erwischte   … Aber inzwischen hat sie sich gewiss schon beruhigt! Sie wird verstanden haben, dass ein Mann nicht für die Monogamie geschaffen ist. Sie wird mir verziehen haben und wartet sicherlich   …«
    »Du bist hoffnungslos dumm«, stellte Geralt fest, und Ciri bestätigte mit einem energischen Kopfnicken, dass sie ebenso dachte.
    »Ich werde nicht mit euch diskutieren«, erwiderte Rittersporn beleidigt. »Zumal das eine intime Angelegenheit ist. Ich sage euch nochmals: Wieselchen wird mir verzeihen. Ich werde eine passende Ballade schreiben oder ein Sonett, es ihr übersenden, und sie   …«
    »Hab Erbarmen, Rittersporn.«
    »Ach, mit euch ist wirklich nicht zu reden. Weiter, reiten wir! Lauf, Pegasus! Lauf, weißfüßiger Drachen!«
    Sie ritten.
    Es war Mai.
     
    »Deinetwegen«, sagte der Hexer vorwurfsvoll, »deinetwegen, du verjagter Liebhaber, musste auch ich aus Toussaint fliehen wie irgendein Geächteter oder Gebannter. Es reichte nicht einmal zu einem Treffen mit   …«
    »Mit Fringilla Vigo? Du hättest sie nicht angetroffen. Sie ist kurz nach eurem Aufbruch, noch im Januar, abgereist. Einfach verschwunden.«
    »Sie habe ich nicht gemeint.« Geralt räusperte sich, als er sah, wie Ciri interessiert die Ohren spitzte. »Ich wollte mich mit Reynart treffen. Ihn mit Ciri bekannt machen   …«
    Rittersporn heftete den Blick an die Mähne von Pegasus. »Reynart de Bois-Fresnes«, murmelte er, »ist so gegen Ende Februar in einem Scharmützel mit Banditen am Cervantes-Pass gefallen, in der Gegend der Feste Vedette. Anarietta hat ihn postum mit dem Orden   …«
    »Sei still, Rittersporn.«
    Rittersporn verstummte, erstaunlich gehorsam.
     
    Der Mai dauerte an und schritt voran. Von den Wiesen verschwand das fleckige Gelb der Gänsedisteln, an seine Stelle trat das flauschige, leicht schmutzige und flüchtige Weiß von verblühtem Löwenzahn.
    Es war grün und sehr warm. Die Luft, wenn kein kurzes Gewitter sie auffrischte, war dick, heiß und klebrig wie Graupensuppe.
     
    Am sechsundzwanzigsten Mai überquerten sie die Jaruga auf einer neuen, schon weißen und nach frischem Holz riechenden Brücke. Die Reste der alten Brücke, schwarze, rußige, verkohlte Balken, waren im Wasser und am Ufer zu sehen.
    Ciri wurde unruhig.
    Geralt wusste Bescheid. Er kannte ihre Ansichten, wusste von den Plänen, von der Absprache mit Yennefer. Er war vorbereitet. Dennoch versetzte ihm der Gedanke an die Trennung schmerzhafte Stiche. Als habe dort, in der Brust, mittendrin, hinter den Rippen, ein kleiner bösartiger Skorpion geschlafen, der nun erwacht sei.
     
    An der Weggabelung hinter dem Dorf Dilla, hinter den Ruinen einer niedergebrannten Schenke stand – übrigens seit mindestens hundert Jahren – eine ausladende Stieleiche, jetzt, im Frühling, mit ganz feinem Blütengespinst behangen. Die Bewohner der ganzen Umgegend, sogar aus dem entfernten Spalla, pflegte die riesigen, aber niedrigen Äste der Eiche zu benutzen, um daran Brettchen und Täfelchen aufzuhängen, beschriftet mit allen möglichen Informationen. Die der zwischenmenschlichen Kommunikation dienende Eiche wurde darum »Baum der Frohen und Unfrohen Botschaft« genannt.
    »Ciri, fang auf der anderen Seite an«, kommandierte Geralt, während er absaß. »Rittersporn, du siehst von hier aus nach.«
    Die an den Bäumen aufgehängten Brettchen regten sich im Wind, stießen klappernd aneinander.
    Es überwogen die nach einem Krieg üblichen Fragen nach dem Verbleib von Umgekommenen und auseinandergerissenen Familien. Es gab reichlich Mitteilungen der Art KOMM ZURÜCK, ICH VERZEIHE DIR, reichlich Angebote erotischer Massagen und ähnlicher Dienstleistungen in den umliegenden Dörfern und Städtchen, reichlich kommerzielle Bekanntmachungen und Reklame. Es gab Liebeskorrespondenz, es gab von Wohlmeinenden unterzeichnete anonyme Anschuldigungen und Denunziationen. Gelegentlich fanden sich auch Brettchen mit den philosophischen Ansichten

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