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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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fangen lassen sie sich nicht, sie sind ungreifbar wie Phantome, wie das Wasser selbst. Die Finger des dunkeläugigen Mädchens schließen sich um das Nichts.
    »Philippa!«
    Das ist die liebste von allen Stimmen. Dennoch reagiert das Mädchen nicht sofort. Es schaut weiter ins Wasser, auf die Fischlein, auf die Seerosen, auf sein Spiegelbild.
    »Philippa!«
     
    »Philippa« – die scharfe Stimme Shealas riss sie aus ihren Gedanken. »Wir warten.«
    Vom offenen Fenster wehte kalter Frühlingswind heran. Philippa Eilhart zuckte zusammen. Der Tod, dachte sie. Der Tod ist an mir vorübergegangen.
    »Diese Loge«, sagte sie schließlich sicher, laut und deutlich, »wird über die Schicksale der Welt entscheiden. Darum ist diese Loge wie die Welt, ist ihr Spiegel. Im Gleichgewicht sind hier der Verstand, der nicht immer kalte Niedertracht und Berechnung bedeutet, und die Sentimentalität, die nicht immer naiv ist. Die Verantwortung, die eiserne, gar aufgezwungene Disziplin und die Abneigung gegen Zwang, die Sanftheit unddas Vertrauen. Die sachliche Kälte der Allmacht   … und das Herz.
    Ich«, fuhr sie in der Stille fort, die sich über den Säulensaal des Schlosses Montecalvo gesenkt hatte, »gebe meine Stimme als Letzte der Stimmberechtigten ab und ziehe noch eine weitere Sache in Betracht. Eine, die, von nichts aufgewogen, alles aufwiegt.«
    Ihrem Blick folgend, schauten alle zu der Wand, auf das Mosaik, wo sich die aus kleinen vielfarbigen Plättchen gebildete Schlange Uroboros in den eigenen Schwanz biss.
    »Diese Sache«, fuhr sie fort, den Blick ihrer dunklen Augen auf Ciri geheftet, »ist die Vorherbestimmung. An die ich, Philippa Eilhart, seit kurzem zu glauben begonnen habe. Die ich, Philippa Eilhart, seit kurzem zu verstehen begonnen habe. Die Vorherbestimmung sind nicht die feststehenden Urteile der Vorsehung, nicht die von der Hand des Demiurgen geschriebenen Bände, kein Fatalismus. Vorherbestimmung ist Hoffnung. Voller Hoffnung, in dem Glauben, dass geschehen wird, was geschehen muss, gebe ich meine Stimme ab. Ich gebe meine Stimme für Ciri ab. Für das Kind der Vorsehung. Das Kind der Hoffnung.«
    Lange währte die Stille in dem in subtilen Halbschatten gehüllten Säulensaal des Schlosses Montecalvo. Durchs Fenster drang der Schrei eines über dem See kreisenden Fischadlers herein.
    »Frau Yennefer«, flüsterte Ciri. »Heißt das   …«
    »Komm, Töchterchen«, antwortete Yennefer leise. »Geralt wartet auf uns, und wir haben einen weiten Weg vor uns.«
     
    Geralt erwachte und fuhr hoch, den Schrei eines Nachtvogels im Ohr.

 
    Dann heirateten die Zauberin und der Hexer und feierten ein lustiges Fest. Ich bin selbst dort gewesen, habe getrunken und gegessen. Und später lebten sie glücklich, aber sehr kurze Zeit. Er starb gewöhnlich, an einem Herzanfall. Sie starb kurz nach ihm, und woran, erwähnt das Märchen nicht. Es heißt, vor Trauer und Sehnsucht, aber wer glaubt schon an Märchen.
     
    Flourens Delannoy,
    Märchen und Volkssagen

Das zwölfte Kapitel
    Es war der sechste Tag nach dem Junineumond, als sie nach Riva gelangten.
    Sie kamen aus den Wäldern an der Bergflanke, und da blitzte unter ihnen, im Tal, plötzlich und unverhofft die Spiegelfläche des Loc Eskalott, der in Form der Rune, von der er seinen Namen hatte, den Talkessel ausfüllte. Auf dem Wasserspiegel waren die von Tannen und Lärchen bestandenen Höhen von Craag Ros zu sehen, eines Ausläufers des Mahakam-Massivs. Und die roten Dachziegel des auf einer Landzunge im See stehenden gedrungenen Schlosses Riva, der Winterresidenz der Könige von Lyrien. An einer Bucht am südlichen Rande des Loc Eskalott aber lag Riva-Stadt mit der strohhellen Vorstadt und den dunklen Häusern, die wie Hallimasche entlang des Seeufers wuchsen.
    »Na, da wären wir wohl«, stellte Rittersporn fest, während er die Augen mit der Hand abschirmte. »Da haben wir nun den Kreis geschlossen, wir sind in Rivien. Seltsam, o ja, seltsam flechten sich die Schicksale   … Auf keinem von den Schlosstürmen sehe ich weiß-blaue Fahnen, also ist Königin Meve nicht im Schloss anwesend. Ich glaube übrigens nicht, dass sie sich an jene Fahnenflucht noch erinnert   …«
    »Glaub mir, Rittersporn«, unterbrach ihn Geralt, während er das Pferd den Hang hinablenkte. »Es ist mir durch und durch gleichgültig, wer sich an mich erinnert und weshalb.«
    Unweit der Stadtgrenzen stand ein buntes Zelt, das an einen Napfkuchen erinnerte. Vor dem Zelt hing an

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