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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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ist gesagt, die Jugend muss sich austoben. Der Krieg hat sie mitgenommen. Die Väter sind gefallen   …«
    »Und die Mütter haben sich fallen lassen«, beendete Geralt den Satz mit einer Stimme, eisig wie ein Bergsee. »Ich verstehe und bin voller Verständnis. Wenigstens versuche ich es zu sein. Gehen wir, Rittersporn.«
    »Dann geht, mit allem Respekt«, sagte der Wirt ohne jeden Respekt. »Und dass ihr euch hernach nicht beklagt, ich hätte euch nicht gewarnt. Heutzutage kann man sich in einer Zwergenschenke leicht eine Beule holen. Bei Gelegenheit.«
    »Bei welcher Gelegenheit?«
    »Was weiß denn ich? Was geht’s mich denn an?«
    »Gehen wir, Geralt«, drängte Rittersporn, der aus den Augenwinkeln sah, wie die vom Krieg mitgenommene Jugend, soweit sie noch halbwegs bei Bewusstsein war, sie mit vom Fisstech glänzenden Augen beobachtete.
    »Auf Wiedersehen, Herr Wirt. Wer weiß, vielleicht besuchenwir eines Tages dein Lokal noch einmal, etwas später. Wenn am Eingang nicht mehr diese Aufschriften stehen.«
    »Und welche gefällt den Herren nicht?« Der Wirt runzelte die Stirn und stemmte kampfeslustig die Arme in die Seiten. »He? Vielleicht die über den Zwerg?«
    »Nein. Die über den Koch.«
    Drei junge Leute standen vom Tisch auf, leicht schwankend, sichtlich darauf aus, ihnen den Weg zu vertreten. Ein Mädchen und zwei Burschen in schwarzen Jacken. Mit Schwertern auf dem Rücken.
    Geralt verlangsamte den Schritt nicht, er ging weiter, und sein Gesicht und sein Blick waren völlig gleichgültig.
    Die Hosenscheißer traten fast im letzten Augenblick zur Seite, wichen zurück. Rittersporn roch ihr Bier. Ihren Schweiß. Und ihre Angst.
    »Man muss sich daran gewöhnen«, sagte der Hexer, als sie draußen waren. »Man muss sich anpassen.«
    »Mitunter fällt es schwer.«
    »Das ist kein Argument. Das ist kein Argument, Rittersporn.«
    Die Luft war heiß, dick und klebrig. Wie Suppe.
     
    Draußen vor der Herberge halfen die beiden Burschen in den schwarzen Jacken dem blonden Mädchen, sich im Trog zu waschen. Das Mädchen prustete, erklärte lallend, es gehe ihr schon besser und sie müsse sich betrinken. Überhaupt würde sie auf den Markt gehen, um zum Zeitvertreib Stände umzuwerfen, aber zuvor müsse sie sich betrinken.
    Das Mädchen hieß Nadia Esposito. Dieser Name wurde in den Annalen verzeichnet. Er ging in die Geschichte ein.
    Doch das konnten Geralt und Rittersporn noch nicht wissen. Das Mädchen auch nicht.
     
    In den Straßen von Riva pulsierte das Leben, und was Einheimische und Zugereiste restlos in Anspruch zu nehmen schien, war der Handel. Es sah so aus, als ob hier alle mit allem handelten und versuchten, alles gegen etwas mehr zu tauschen. Von überallher erscholl eine Kakophonie von Rufen   – Waren wurden angepriesen, es wurde verbissen gefeilscht, man belog einander, zieh einander lautstark des Betrugs, des Diebstahls und des Schwindels wie auch anderer Sünden, die mit dem Handel überhaupt nichts zu tun hatten.
    Ehe Geralt und Rittersporn nach Ulm gelangten, wurden ihnen zahlreiche attraktive Angebote unterbreitet. Offeriert wurden ihnen unter anderem ein Astrolabium, eine Blechtrompete, ein Speiseservice, geschmückt mit dem Wappen der Familie Frangipani, Aktien eines Kupferbergwerks, ein Glas mit Blutegeln, ein abgeschabtes Buch mit dem Titel
Das vermeintliche Wunder oder Der Medusenkopf
, eine Langjacke von Murmeltierfrettchen, ein potenzsteigerndes Elixier mitsamt – im Rahmen eines Koppelgeschäfts – einem nicht allzu jungen, nicht allzu schlanken und nicht allzu frischen Weibsbild.
    Ein schwarzbärtiger Zwerg versuchte sie ausgeprochen dreist zum Kauf eines billigen Spiegelchens in einem Tombakrahmen zu überreden, indem er behauptete, das sei der Zauberspiegel des Cambuscan, als ihm plötzlich ein zielsicher geworfener Stein die Ware aus der Hand schlug.
    »Lausiger Kobold!«, heulte ein barfüßiger und schmutziger Gassenjunge auf, während er weglief. »Nichtmensch! Bärtiger Bock!«
    »Dass dir die Kaldaunen verfaulen, du Menschenlump«, brüllte der Zwerg. »Dass sie dir verfaulen und durch den Arsch rausfließen!«
    Die Menschen schauten mit finsteren Mienen zu.
     
    Das Viertel Ulm lag direkt am See, an einer Bucht inmitten von Erlen, Trauerweiden und selbstverständlich Ulmen. Hier war es wesentlich stiller und ruhiger, niemand kaufte etwas oder wollte etwas verkaufen. Vom See her wehte eine Brise, die besonders angenehm war, nachdem sie den schwülen Dunst der

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