Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Deshalb wollen auch wir unser Hammerwerk in Nowigrad einrichten.«
»Die Menschen werden dir die Tür mit Scheiße beschmieren«, sagte Yarpen. »Dir die Fenster einwerfen. Und dich einen tückischen Wicht nennen. Es wird dir nichts helfen, dass du Kriegsteilnehmer warst, dich für sie geschlagen hast. Du wirst in diesem deinem Nowigrad ein Paria sein.«
»Irgendwie wird es gehen«, sagte Zoltan fröhlich. »In Mahakam gibt es zu viel Konkurrenz. Und zu viele Politiker. Trinken wir, Jungs. Auf Caleb Stratton. Auf Yazon Varda.«
»Auf Regan Dahlberg«, fügte Yarpen hinzu, und seine Miene verfinsterte sich.
Geralt wandte ihm das Gesicht zu. »Regan auch …«
»Ja. Bei Mayena. Es ist nur die alte Frau Dahlberg übriggeblieben. Ach, zum Kuckuck, genug davon, betrinken wir uns! Und beeilen wir uns mit diesen Schnecken, denn Wirsing bringt schon die zweite Schüssel!«
Die Zwerge hatten sich die Gürtel gelockert und hörten sich Geralts Bericht an, wie Rittersporns fürstliche Romanze auf dem Schafott geendet hatte. Der Dichter gab sich gekränkt und enthielt sich eines Kommentars. Yarpen und Zoltan brüllten vor Lachen.
»Ja, ja«, sagte schließlich Yarpen Zigrin und bleckte die Zähne. »Wie es in dem Lied heißt: Ein Kerl, der Stahl und Eisen biegt, dem Weibe trotzdem unterliegt. Ein paar schöne Beispiele für diese Redensart haben sich heute an einem Tisch versammelt. Zoltan Chivay zum Beispiel. Als er erzählt hat, was es bei ihm Neues gibt, hat er vergessen zu sagen, dass er heiraten wird.In Kürze, nämlich im September. Die glückliche Auserwählte heißt Eudora Brekekeks.«
»Breckenriggs!«, berichtigte Zoltan nachdrücklich mit gerunzelten Brauen. »Ich habe es allmählich satt, dir die Aussprache zu korrigieren, Zigrin. Sieh dich vor, denn wenn ich etwas satthabe, kann ich ungemütlich werden!«
»Wo ist die Hochzeit? Und wann genau?«, warf Rittersporn versöhnlich ein. »Ich frage, weil wir vielleicht vorbeischauen werden. Wenn du uns einlädst, versteht sich.«
»Es steht noch nicht fest, wo, wie und ob überhaupt«, stotterte Zoltan sichtlich verwirrt. »Yarpen greift den Tatsachen vor. Ich denke, ich bin mit Eudora im Wort, aber weiß man, was sein wird? In solchen beschissenen Zeiten?«
»Ein zweites Beispiel für die Allmacht der Weiber«, fuhr Yarpen Zigrin fort, »ist Geralt von Riva, der Hexer.«
Geralt tat so, als sei er mit einer Schnecke beschäftigt.
Yarpen schnaubte. »Nachdem er also wie durch ein Wunder seine Ciri gefunden hat«, fuhr er fort, »lässt er sie fortreiten, stimmt einer neuerlichen Trennung zu. Er lässt sie wieder allein, obwohl, wie hier jemand zutreffend bemerkt hat, die Zeiten beschissen unsicher sind. Und das alles tut besagter Hexer, weil es seine Frau so will, die allgemein als Yennefer von Vengerberg bekannt ist. Und wenn besagter Hexer wenigstens etwas davon hätte! Hat er aber nicht. Wahrlich, wie König Desmond einmal sagte, als er nach verrichteter Notdurft in den Nachttopf schaute: ›Es ist dem Verstand nicht gegeben, dies zu erfassen.‹«
»Ich schlage vor« – Geralt hob mit allerliebstem Lächeln den Becher –, »dass wir uns betrinken und das Thema wechseln.«
»So, so«, sagten Rittersporn und Zoltan unisono.
Wirsing brachte die dritte und danach die vierte Schüssel mit Schnecken auf den Tisch. Natürlich vergaß er auch nicht Brot und Schnaps. Die Tafelnden hatten sich schon etwas satt gegessen; es nimmt also nicht wunder, dass die Trinksprüche etwashäufiger ausgebracht wurden. Ebenso wenig, dass sich immer häufiger und ausgiebiger Philosophie in das Gespräch einschlich.
»Das Böse, gegen das ich gekämpft habe«, wiederholte der Hexer, »war eine Erscheinungsform der Taten des Chaos, Taten, die darauf gerichtet sind, die Ordnung zu stören. Dort nämlich, wo das Böse sich ausbreitet, kann die Ordnung nicht herrschen; alles, was die Ordnung aufbaut, bricht zusammen, hat keinen Bestand. Das Licht der Weisheit, das Flämmchen der Hoffnung und der Funken der Wärme, statt aufzuflammen, erlöschen. Es wird dunkel. Und in der Dunkelheit wird es Zähne, Klauen und Blut geben.«
Yarpen Zigrin strich sich über den Bart, der fettig war vom Öl, das von den Schnecken herabgelaufen war. »Sehr schön gesagt, Hexer«, gab er zu. »Aber, wie die blutjunge Cerro zu König Vridank bei ihrem ersten Rendezvous sagte: ›Ein hübsches Ding, aber gibt es eine praktische Verwendung dafür?‹«
»Der Daseinszweck« – der Hexer
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