Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
aufgestanden war und den Pokal erhob. »Beim Reiher schwöre ich, die Ritterehre und die Ehre der Damen zu verteidigen, und ich gelobe, niemals, nimmermehr jemandem das Feld zu überlassen!«
Das Gelöbnis wurde mit einer lauten Ovation belohnt. Worauf man ans Essen ging.
»Ich schwöre beim Reiher!«, brüllte ein anderer Ritter miteinem buschigen und draufgängerisch hochgezwirbelten Schnurrbart. »Ich schwöre, bis zum letzten Blutstropfen die Grenzen und Ihre Gnaden Anna Henrietta zu verteidigen! Und zum Beweis meiner Treue gelobe ich, auf meinen Schild einen Reiher zu malen und ein Jahr lang incognito zu kämpfen, Namen und Wappen geheim zu halten und mich den Ritter vom Weißen Reiher zu nennen! Auf das Wohl Ihrer fürstlichen Gnaden!«
»Auf ihr Wohl! Glück! Vivat! Ihre Gnaden sollen leben!«
Anarietta nickte zum Dank leicht mit dem von einem Brillantdiadem geschmückten Kopf. Sie trug so viele Diamanten an sich, dass sie einfach im Vorbeigehen hätte Glas schneiden können. Neben ihr saß Rittersporn und grinste dümmlich. Ein Stück weiter hatte zwischen zwei Matronen Emiel Regis Platz genommen. Er trug eine Langjacke aus schwarzem Samt, in der er aussah wie ein Vampir. Er bediente die Matronen und unterhielt sie mit Konversation, und sie lauschten fasziniert.
Geralt griff nach einer Schale mit Zanderscheiben, die mit Petersilie garniert waren. Er legte der zu seiner Linken sitzenden Fringilla Vigo auf, die ein Kleid aus veilchenblauem Atlas und ein wunderschönes Amethystkollier trug, welches sich hübsch ins Dekolleté einfügte. Fringilla, die ihn unter schwarzen Wimpern hervor beobachtete, hob den Kelch und lächelte rätselhaft. »Auf dein Wohl, Geralt. Ich freue mich, dass man uns nebeneinandergesetzt hat.«
»Lobe den Tag nicht vor dem Abend.« Er erwiderte das Lächeln, denn alles in allem war er bei recht guter Laune. »Das Mahl hat gerade erst begonnen.«
»Im Gegenteil. Es dauert schon lange genug, dass du mir ein Kompliment hättest machen können. Wie lange soll ich noch warten?«
»Du bist berückend schön.«
»Langsam, langsam, eins nach dem anderen!« Sie lachte, und er hätte schwören mögen, dass sie es ganz aufrichtig meinte.»Ich will gar nicht daran denken, wo wir in diesem Tempo hinkommen, ehe das Mahl zu Ende ist. Beginne mit … Hmm … Sage, dass ich ein geschmackvolles Kleid habe und dass mir Veilchenblau gut steht.«
»Veilchenblau steht dir gut. Obwohl du mir, ehrlich gesagt, in Weiß am besten gefallen hast.«
Er bemerkte in ihren smaragdgrünen Augen die Herausforderung. Er mochte nicht darauf eingehen. So gute Laune hatte er nun wieder nicht.
Gegenüber hatte man Cahir und Milva platziert. Cahir saß zwischen zwei ziemlich jungen und unablässig plappernden Edelfräuleins, wohl Baronessen. Der Bogenschützin hingegen leistete ein älterer und griesgrämiger Ritter Gesellschaft, der eisern schwieg und zahlreiche Pockennarben im Gesicht hatte.
Ein Stück weiter saß Angoulême, die inmitten von jungen fahrenden Rittern das große Wort führte. »Was ist das?«, schrie sie und hielt ein silbernes, vorn abgerundetes Messer hoch. »Ohne Spitze? Haben die Angst, dass wir Lust kriegen, uns gegenseitig abzustechen, oder was?«
»Solche Messer«, erklärte Fringilla, »sind in Beauclair seit der Zeit der Fürstin Karolina Roberta in Gebrauch, der Großmutter von Anna Henrietta. Karoberta konnte es nicht ausstehen, wenn sich auf den Festmählern die Gäste mit den Messern in den Zähnen polkten. Und mit abgerundeten Messern geht das nicht.«
»Geht nicht«, stimmte Angoulême zu und verzog schelmisch das Gesicht. »Zum Glück haben sie uns noch Gabeln gegeben!«
Sie tat, als wolle sie eine Gabel in den Mund stecken, ließ es aber unter Geralts bedrohlichem Blick sein. Der zu ihrer Rechten sitzende junge Ritter lachte in wieherndem Falsett. Geralt nahm eine Schale mit Ente in Aspik, legte Fringilla auf. Er sah, wie sich Cahir ein Bein ausriss, um die Launen der Baronessen zu befriedigen, die hingegen schauten durch ihn hindurch. Er sah, wie sich die jungen Ritter vor Angoulême spreizten, ihr umdie Wette Speisen reichten und lauthals über ihre einfältigen Witzchen lachten.
Er sah, wie Milva das Brot zerkrümelte und aufs Tischtuch starrte.
Fringilla schien seine Gedanken lesen zu können. »Sie hat es schlecht getroffen«, flüsterte sie zu ihm herübergebeugt, »deine wortkarge Gefährtin. Nun ja, sowas kommt vor, wenn die Sitzordnung festgelegt wird. Baron
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