Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Nähe einer Respektlosigkeit.«
»Herr Geralt.« Palmerin de Launfals Gesicht war hart und ernst. »Ich will Euch sagen, was uns zu diesem Angebot ermutigt hat. Es war der Euch vorauseilende Ruf, dass Ihr nur jene Ungeheuer tötet, die eine Gefahr darstellen. Eine reale Gefahr. Keine eingebildete, die aus Unwissenheit oder Vorurteilen erwächst. Lasst Euch daher sagen, dass der Sukkubus niemanden bedroht und niemandem schadet. Nun ja, er kommt im Traum … Von Zeit zu Zeit … Und neckt einen ein bisschen …«
»Aber nur Volljährige«, setzte Peyrac-Peyran rasch hinzu.
»Die Damen von Toussaint«, erklärte Geralt und blickte um sich, »wären nicht erfreut, wenn sie von diesem Gespräch erführen. Wie auch die Fürstin.«
»Wir sind ganz Eurer Meinung«, murmelte Palmerin de Launfal. »Diskretion ist unbedingt angezeigt. Man soll keine schlafenden Betschwestern wecken.«
»Eröffnet auf meinen Namen ein Konto bei einer der hiesigen Zwergenbanken«, sagte Geralt langsam und leise. »Und erstaunt mich mit Eurer Freigebigkeit. Ich sage Euch gleich, dass ich nicht leicht in Erstaunen zu versetzen bin.«
»Aber wir werden uns Mühe geben«, versprach Peyrac-Peyran stolz.
Man verabschiedete sich mit Verbeugungen.
Regis kehrte zurück. Mit seinen Vampirohren hatte er natürlich alles gehört. »Jetzt«, sagte er ohne zu lächeln, »kannst du natürlich behaupten, das sei alles ein unwillkürlicher Instinkt und ein unerklärlicher Impuls gewesen. Aber das eröffnete Bankkonto wirst du schwerlich ableugnen können.«
Geralt blickte irgendwo nach oben, über die Wipfel der Zypressen hinweg. »Wer weiß«, sagte er, »vielleicht werden wir hier doch ein paar Tage zubringen. In Anbetracht von Milvas Rippen vielleicht sogar mehr als nur ein paar Tage. Vielleicht ein paar Wochen? Es kann also nicht schaden, wenn wir uns für diese Zeit finanziell unabhängig machen.«
»Daher also das Konto bei den Cianfanelli.« Reynart de Bois-Fresnes nickte. »Na, na. Wenn die Fürstin davon erführe, gäbe es im Handumdrehen Veränderungen in den Ämtern, es würden neue Patente ausgeteilt. Ha, vielleicht würde sogar ich befördert werden? Mein Wort, es ist ein Jammer, dass unsereins nicht das Zeug zum Denunzianten hat. Erzähl jetzt von dem berühmten Festmahl, auf das ich mich so gefreut hatte. Ich wäre so gern auf diesem Fest gewesen, hätte getrunken und gegessen! Aber sie haben mich an die Grenze geschickt, auf Wache, in die Kälte und den verdammten Schneeregen. Ach, heja ho, Rittern geht es so …«
»Dem großen und mit viel Getöse angekündigten Festmahl«, begann Geralt, »gingen gewichtige Vorbereitungen voraus. Man musste Milva finden, die sich in den Ställen versteckt hatte, musste sie überzeugen, dass von ihrer Teilnahme am Bankett das Schicksal Ciris und beinahe der ganzen Welt abhing. Man musste ihr fast mit Gewalt ein Kleid anziehen. Dann musste man Angoulême das Gelöbnis abpressen, dass sie sich wie eine Dame verhalten werde, insbesondere, dass sie es vermeiden werde, ›Hure‹ und ›Arsch‹ zu sagen. Als wir das endlich alles beisammen hatten und uns beim Wein zu erholen gedachten, erschien der Kämmerer Le Goff, nach Zuckerguss riechend und aufgeblasen wie eine Schweinsblase.«
»Unter den gegebenen Umständen muss ich darauf hinweisen«, begann der Kämmerer Le Goff zu näseln, »dass es am Tisch Ihrer Gnaden keine unteren Plätze gibt, niemand hat das Recht, sich durch den ihm am Tische zugewiesenen Platz gekränkt zu fühlen. Wir hier in Toussaint halten uns streng an die althergebrachten Traditionen und Bräuche, und gemäß diesen Bräuchen …«
»Herr Kämmerer, kommt zur Sache.«
»Das Festmahl findet morgen statt. Die Sitzordnung am Tisch muss ich nach Ehre und Rang festlegen.«
»Klar«, sagte der Hexer ernst. »Ich will gleich sagen, wie es sich verhält. Der Würdigste unter uns, sowohl was den Rang als auch die Ehre betrifft, ist Rittersporn.«
»Der Herr Vicomte Julian«, erklärte der Kämmerer hochnäsig, »ist außerordentlicher Ehrengast. Als solcher wird er zur Rechten Ihrer Gnaden sitzen.«
»Klar«, wiederholte der Hexer todernst. »Und in Bezug auf uns hat er Euch nicht wissen lassen, wer welchen Rang, Titel und Ehren hat?«
»Er hat nur wissen lassen« – der Kämmerer räusperte sich –, »dass die edlen Damen und Herren inkognito auf einer ritterlichen Mission unterwegs sind, deren Einzelheiten wie auch die wahren Namen, Wappen und Titel Ihr
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