Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Hexer.«
Als nach dem stürmischen Abgang Milvas auch der Hexer gegangen war, frühstückte die restliche Gesellschaft schweigend.In der Küche, vorsichtig mit den Krallenfüßen auftretend, liefen zwei Hühner umher, das eine schwarz, das andere bunt.
»Ich habe«, ließ sich schließlich Angoulême vernehmen, während sie den Blick vom mit einer Brotscheibe abgewischten Teller zu Fringilla hob, »ich habe da ein Problem.«
Die Zauberin nickte. »Verstehe. Das ist nicht schlimm. Wie lange liegt deine letzte Monatsblutung zurück?«
»Wie kommst du denn darauf?« Angoulême straffte sich mit einem Ruck, dass die Hühner erschraken. »Nichts dergleichen! Es geht um etwas ganz anderes!«
»Also red.«
»Geralt will mich hier zurücklassen, wenn er wieder aufbricht.«
»Oha.«
»Er sagt«, schnaubte Angoulême, »dass er mich nicht in Gefahr bringen darf und so dummes Zeug. Aber ich will mit ihm gehen …«
»Oha.«
»Unterbrich mich nicht, ja? Ich will mit ihm gehen, mit Geralt, weil ich nur bei ihm keine Angst habe, dass mich der Einäugige Fulko wieder erwischt, und hier in Toussaint …«
»Angoulême«, unterbrach Regis sie. »Du redest vergebens. Frau Vigo hört dich, aber sie nimmt nichts wahr. Sie empört nur das eine: die Abreise des Hexers.«
»Oha«, wiederholte Fringilla, wandte ihm das Gesicht zu und kniff die Augen zusammen. »Worauf beliebt Ihr anzuspielen, Herr Terzieff-Godefroy? Die Abreise des Hexers? Und wann reist er denn ab? Darf man das erfahren?«
»Vielleicht nicht heute und morgen«, entgegnete der Vampir mit sanfter Stimme. »Aber eines Tages gewiss. Ohne jemanden zu verletzen.«
»Ich fühle mich nicht verletzt«, parierte Fringilla kalt. »Das heißt natürlich, falls Ihr mich im Auge hattet. Was aber dich betrifft, Angoulême, so versichere ich, das ich die Frage der Abreiseaus Toussaint mit Geralt besprechen werde. Ich garantiere dir, dass der Hexer meine Meinung in dieser Angelegenheit erfahren wird.«
»Ja natürlich«, prustete Cahir. »Woher ich nur gewusst habe, dass Ihr genau so antworten würdet, Frau Fringilla.«
Die Zauberin musterte ihn lange.
»Der Hexer«, sagte sie schließlich, »darf Toussaint nicht verlassen. Niemand, der ihm wohlgesonnen ist, darf ihn dazu bewegen. Wo wird es ihm so gut gehen wie hier? Er schwimmt im Luxus. Er hat seine Ungeheuer, auf die er Jagd macht, wobei er ganz gut verdient. Sein Freund und Gefährte ist der Favorit der hier herrschenden Fürstin, die Fürstin selbst ist ihm ebenfalls gewogen. Hauptsächlich wegen des Sukkubus, der die Alkoven heimgesucht hatte. Ja, ja, meine Herren. Anarietta und alle wohlgeborenen Damen von Toussaint sind überaus erfreut über den Hexer. Denn der Sukkubus hat ja seine Besuche eingestellt, wie abgeschnitten. Die Damen von Toussaint haben also für eine spezielle Prämie zusammengelegt, die in Kürze auf dem Konto des Hexers bei den Cianfanelli eingehen wird. Und das kleine Vermögen vermehren, das der Hexer selbst dort angelegt hat.«
»Eine sehr schöne Geste seitens der Damen.« Regis senkte nicht den Blick. »Und die Prämie ist wohlverdient. Es ist nicht leicht, zu bewirken, dass ein Sukkubus seine Besuche einstellt. Das könnt Ihr mir glauben, Frau Fringilla.«
»Ich glaube es auch. Apropos, einer von den Palastwächtern hat, wie er behauptet, den Sukkubus gesehen. Nachts, auf den Zinnen des Karoberta-Turms. In Gesellschaft eines anderen Gespensts. Wohl eines Vampirs. Beide Dämonen gingen dort spazieren, schwört der Wächter, und sie wirkten befreundet. Wisst Ihr vielleicht etwas davon, Herr Regis? Könnt Ihr es erklären?«
»Nein.« Regis zuckte mit keiner Wimper. »Können wir nicht. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich die Philosophen nicht träumen lassen.«
»Zweifellos gibt es solche Dinge«, bestätigte Fringilla mit einem Nicken des schwarzhaarigen Kopfes. »Aber in Bezug darauf, dass der Hexer sich angeblich reisefertig macht – wisst Ihr da mehr? Mir gegenüber, seht Ihr, hat er solch eine Absicht nämlich nicht erwähnt, und für gewöhnlich sagt er mir alles.«
»Klar doch«, murmelte Cahir.
Fringilla ignorierte ihn. »Herr Regis?«
»Nein«, sagte der Vampir nach kurzem Schweigen. »Nein, Frau Fringilla, seid bitte beruhigt. Der Hexer bedenkt uns keineswegs mit mehr Zuneigung und Vertrauen als Euch. Er flüstert uns keinerlei Geheimnisse in die Ohren, die er vor Euch verbergen würde.«
»Woher dann« – Fringilla war ruhig wie Granit – »diese
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