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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Erklärungen über einen Aufbruch?«
    Auch diesmal zuckte der Vampir mit keiner Wimper. »Weil es so ist wie in jener von jugendlichem Charme erfüllten Redensart unserer lieben Angoulême: Es kommt irgendwann die Zeit, da muss man entweder scheißen oder den Abort freimachen. Mit anderen Worten   …«
    »Spart Euch«, unterbrach ihn Fringilla scharf, »die anderen Worte. Es war auch so schon charmant genug.«
    Eine ganze Weile lang herrschte Schweigen. Beide Hühner, das schwarze und das bunte, gingen umher und pickten auf, was sich ergab. Angoulême wischte sich mit dem Ärmel die von roten Rüben beschmierte Nase ab. Der Vampir spielte nachdenklich mit einem Wurstring.
    »Dank mir«, brach Fringilla schließlich das Schweigen, »hat Geralt den Stammbaum Ciris erfahren, die nur wenigen Personen bekannten Zusammenhänge und Geheimnisse ihrer Herkunft. Dank mir weiß er Dinge, von denen er noch vor einem Jahr keine Ahnung hatte. Dank mir verfügt er über Information, und Information ist eine Waffe. Dank mir und meinem magischen Schutz ist er vor feindlichen Ortungsversuchen geschützt, also auch vor Meuchelmördern. Dank mir und meiner Magieschmerzt sein Knie nicht mehr und lässt sich wieder beugen. Am Halse trägt er ein von meiner Kunst verfertigtes Medaillon, vielleicht nicht so gut wie sein ursprüngliches Hexermedaillon, aber immerhin. Dank mir und nur mir wird er, im Frühling oder Sommer, informiert, versorgt, gesund, vorbereitet und gewappnet den Kampf mit den Feinden aufnehmen können. Wenn jemand von den hier Anwesenden mehr für Geralt getan, ihm mehr gegeben hat, dann soll er das sagen. Ich werde ihm bereitwillig die Ehre erweisen.«
    Niemand meldete sich zu Wort. Die Hühner pickten auf den Stiefeln Cahirs, doch der junge Nilfgaarder beachtete sie nicht.
    »In der Tat«, sagte er spitz, »niemand von uns hat Geralt mehr gegeben als Ihr, meine Dame.«
    »Woher habe ich gewusst, dass du genau das sagen würdest?«
    »Darum geht es nicht, Frau Fringilla«, setzte der Vampir an. Die Zauberin ließ ihn nicht ausreden.
    »Worum dann?«, fragte sie streitsüchtig. »Darum, dass er mit mir zusammen ist? Dass uns Gefühle verbinden? Darum, dass ich nicht will, dass er jetzt hier abreist? Dass ich nicht will, dass ihn die Schuldgefühle zugrunde richten? Die gleichen Schuldgefühle, die Buße, die euch forttreibt?«
    Regis schwieg. Auch Cahir sagte nichts. Angoulême schaute sich um, sie hatte offensichtlich nicht viel verstanden.
    »Wenn es in den Büchern der Vorsehung geschrieben steht«, sagte die Zauberin nach einer Weile, »dass Geralt Ciri findet, dann wird es geschehen. Unabhängig davon, ob der Hexer in die Berge aufbricht oder in Toussaint sitzt. Die Vorherbestimmung ereilt die Menschen. Nicht umgekehrt. Versteht ihr das? Versteht ihr, Herr Regis Terzieff-Godefroy?«
    »Besser, als ihr glaubt, Frau Vigo.« Der Vampir drehte den Wurstring in den Fingern. »Aber für mich, Ihr müsst schon entschuldigen, ist die Vorherbestimmung kein Buch, von der Hand des Großen Demiurgen geschrieben, nicht der Wille des Himmels und nicht das unabänderliche Urteil irgendeiner Vorsehung,sondern das Ergebnis vieler scheinbar nicht miteinander verknüpfter Tatsachen, Ereignisse und Taten. Ich würde dazu neigen, Euch darin zuzustimmen, dass die Vorherbestimmung die Menschen ereilt   … und nicht nur die Menschen. Mir sagt die Ansicht aber viel weniger zu, dass es nicht auch umgekehrt sein könne. Denn diese Ansicht ist ein bequemer Fatalismus, das ist ein Loblied auf Abstumpfung und Gemeinheit, auf das Federbett und die bezaubernde Wärme eines Damenschoßes. Kurzum, auf ein Leben im Traum. Aber das Leben, Frau Vigo, mag ein Traum sein, vielleicht endet es auch in einem Traum   … Doch es ist ein Traum, den man aktiv träumen muss. Darum, Frau Vigo, wartet auf uns die Landstraße.«
    »Nur zu.« Fringilla stand auf, beinahe so heftig wie unlängst Milva. »Bitte sehr! Auf den Pässen erwarten euch Schneetreiben, Frost und die Vorherbestimmung. Und die Sühne, die ihr so dringlich nötig zu haben scheint. Nur zu! Aber der Hexer bleibt hier. In Toussaint! Bei mir!«
    »Ich glaube«, entgegnete der Vampir ruhig, »Ihr irrt Euch, Frau Vigo. Der Traum, den der Hexer träumt, ist, ich gestehe es mit einer Verbeugung, zauberhaft und schön. Doch jeder Traum, den man zu lange träumt, wird zum Alb. Und aus dem erwachen wir mit einem Schrei.«
     
    Die neun Frauen, die an dem großen runden Tisch im Schloss Montecalvo

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