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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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danken. Gehen wir.«
    Als sie die Laube verließ, warf sie noch einen Blick auf die Liege. Und sie dachte, was diese Anny Tiller doch für eine dumme und exaltierte Graphomanin war.
    Langsam, schweigend, inmitten des Geruchs von Minze, Salbei und Brennnesseln, gingen sie zum Flusse Seufzer hinab. Die Treppe hinunter. Am Ufer des Baches, der Flüstern hieß.
     
    Als sie am Abend parfümiert, die Haare noch nass vom aromatischen Bade, in die königlichen Gemächer kam, fand sie Auberon auf dem Sofa vor, über ein Buch gebeugt. Wortlos, nurmit einer Handbewegung, bedeutete er ihr, sich neben ihn zu setzen.
    Das Buch war reich illustriert. Genau genommen enthielt es nichts als Illustrationen. Obwohl Ciri sich bemühte, die Dame von Welt zu spielen, schoss ihr das Blut in die Wangen. In der Tempelbibliothek in Ellander hatte sie ein paar ähnliche Werke gesehen. Doch mit dem Buch des Erlkönigs konnten jene sich nicht messen, weder in Bezug auf Reichtum und Vielfalt der Stellungen noch in Bezug auf ihre künstlerische Darstellung.
    Sie betrachteten es lange, schweigend.
    »Zieh dich aus, bitte.«
    Diesmal zog auch er sich aus. Sein Körper war schmächtig wie der eines Knaben, geradezu hager wie bei Giselher, bei Kayleigh, bei Reef, die sie oft gesehen hatte, wenn sie in Bächen oder kleinen Bergseen badeten. Doch Giselher und die Ratten hatten Vitalität nur so verströmt, das Leben selbst, einen Lebenswillen, der zwischen den Silbertröpfchen des versprühten Wassers flammte.
    Von ihm aber, dem Erlkönig, strahlte die Kälte der Ewigkeit aus.
    Er war geduldig. Etliche Male sah es so aus, als sei es gleich so weit. Doch es wurde nichts daraus. Ciri war wütend auf sich, sie glaubte, es liege an ihrer Unwissenheit und dem lähmenden Mangel an Übung. Er bemerkte es und beruhigte sie. Wie üblich sehr erfolgreich. Und sie schlief ein. In seinen Armen.
    Doch am Morgen war er nicht bei ihr.
     
    Am nächsten Abend ließ der Erlkönig zum ersten Mal Ungeduld erkennen.
    Sie fand ihn über den Tisch gebeugt, auf dem ein in Bernstein gerahmter Spiegel lag. Der Spiegel war mit einem weißen Pulver bestreut.
    Es fängt an, dachte sie.
    Auberon schob mit einem kleinen Messerchen etwas vondem Fisstech zusammen und bildete zwei längliche Häufchen. Er nahm ein silbernes Röhrchen vom Tisch und sog das Narkotikum in die Nase ein, erst ins linke, dann ins rechte Nasenloch. Seine Augen, für gewöhnlich leuchtend, wurden gleichsam etwas stumpfer und trüber, begannen zu tränen. Ciri wusste auf Anhieb, dass es nicht die erste Dosis war.
    Er bildete auf dem Glas zwei neue Häufchen, lud sie mit einer Geste ein, reichte ihr das Röhrchen. Ach, was soll’s, dachte sie. So wird es leichter gehen.
    Das Narkotikum war unerhört stark.
    Kurz darauf saßen sie zu zweit auf dem Bett, aneinandergeschmiegt, und starrten mit tränenden Augen den Mond an.
    Ciri nieste.
    »Eine säuberliche Nacht«, sagte sie und wischte sich mit dem Ärmel der Seidenbluse die Nase ab.
    »Eine zauberische«, korrigierte er, während er sich das Auge rieb. »Ensh’eass, nicht en’leass. Du musst an der Aussprache arbeiten.«
    »Werde ich.«
    »Zieh dich aus.«
    Anfangs hatte es den Anschein, es würde gut gehen, das Narkotikum habe auf ihn so anregend gewirkt wie auf sie. Auf sie aber hatte es so gewirkt, dass sie aktiv und unternehmungslustig wurde, sie flüsterte ihm sogar ein paar ziemlich unanständige – wie sie glaubte – Wörter ins Ohr. Das schien ihn ein wenig anzumachen, der Effekt war, hm, greifbar, zu einem bestimmten Augenblick war sich Ciri sicher, nun sei es gleich so weit. Aber es war nicht gleich so weit. Jedenfalls nicht bis zu Ende.
    Und just da verlor er die Geduld. Er stand auf, warf sich einen Zobelpelz über die schmalen Schultern. So stand er da, abgewandt, den Blick zum Fenster und auf den Mond gerichtet. Ciri setzte sich hin, schlang die Arme um die Knie. Sie war enttäuscht und wütend, und gleichzeitig war ihr irgendwie sonderbar wehmütigzumute. Das zwar zweifellos die Wirkung dieses starken Fisstechs.
    »Es ist alles meine Schuld«, murmelte sie. »Diese Narbe entstellt mich, ich weiß. Ich weiß, was du siehst, wenn du mich anschaust. Viel ist von einer Elfe nicht in mir geblieben. Ein Goldkörnchen in einem Komposthaufen   …«
    Er drehte sich abrupt um. »Du bist ungewöhnlich bescheiden«, sagte er mit Nachdruck. »Ich würde eher sagen: eine Perle im Schweinemist. Ein Brillant am Finger eines verwesenden Leichnams. Du kannst

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