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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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ihr Auftrieb gab, schüttelte sie verneinend den Kopf. Pferdchen   – Ihuarraquax – spielte mit den Ohren, scharrte mit dem Huf, starrte sie aus dem schwarzen Auge an. Das rötliche Einhorn stampfte so, dass geradezu der Boden bebte, schwenkte bedrohlich das Horn. Es schnaubte zornig, und Ciri verstand.
    Du traust uns nicht.
    »Ich traue euch nicht«, gestand sie kalt. »Jeder spielt hier irgendein eigenes Spiel und versucht, mich, die ich davon nichts verstehe, auszunutzen. Warum soll ich ausgerechnet euch vertrauen? Zwischen euch und den Elfen besteht ganz offensichtlich keine Freundschaft, ich habe selbst gesehen, wie es dort in der Steppe beinahe zu einem Kampf gekommen wäre. Ich kann ruhig annehmen, dass ihr mich benutzen wollt, um den Elfen eins auszuwischen. Ich kann sie auch nicht besonders leiden, immerhin halten sie mich hier gefangen und zwingen mich zu etwas, was ich überhaupt nicht will. Aber benutzen lasse ich mich nicht.«
    Das rötliche Einhorn schüttelte den Kopf, sein Horn vollführte wieder eine gefährliche Bewegung. Das bläuliche wieherte. In Ciris Schädel hallte es wider wie in einem Brunnen, und der Gedanke, den sie erfasste, war ungut.
    »Aha!«, rief sie. »Ihr seid genauso wie die! Entweder Unterwerfung und Gehorsam oder der Tod? Ich fürchte mich nicht! Und ausnutzen lasse ich mich nicht!«
    Wieder fühlte sie im Kopf Wirrwarr und Chaos. Es dauerte ein Weilchen, bis sich aus dem Chaos ein erkennbarer Gedanke herausschälte.
    Das ist gut, Sternäugige, dass du es nicht magst, ausgenutzt zu werden. Genau darum geht es uns. Genau das wollen wir dir sichern. Uns. Und der ganzen Welt. Allen Welten.
    »Ich verstehe das nicht.«
    Du bist ein bedrohliches Werkzeug, eine gefährliche Waffe. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Waffe dem Erlkönig in die Hände fällt, dem Fuchs und dem Sperber.
    »Wem?«, stotterte sie. »Ach   …«
    Der Fuchs,
crevan
. Avallac’h. Und wer der Sperber ist, weiß ich ja nur zu gut.
    Der Erlkönig ist alt. Aber der Fuchs und der Sperber können nicht die Macht über das Ard Gaeth erlangen, das Tor der Welten. Einmal schon haben sie sie erlangt. Einmal schon haben sie sie verloren. Jetzt können sie nicht mehr, als nur umherirren, mit kleinen Schritten zwischen den Welten umhertappen, allein, wie Gespenster, machtlos. Der Fuchs nach Tir ná Béa Arainne, der Sperber und seine Reiter auf der Großen Spirale. Weiter kommen sie nicht, es fehlt ihnen an Kraft. Darum träumen sie von Ard Gaeth und von der Macht. Wir werden dir zeigen, auf welche Weise sie diese Macht schon einmal benutzt haben. Wir werden es dir zeigen, Sternäugige, wenn du von hier fortgehst.
    »Ich kann nicht von hier fortgehen. Sie haben einen Zauber auf mich gelegt. Eine Barriere, Geas Garadh   …«
    Dich kann man nicht gefangen halten. Du bist die Herrin der Welten.
    »Von wegen. Ich habe überhaupt kein wildes Talent, ich herrsche über gar nichts. Und der
Kraft
habe ich entsagt, dort in der Wüste, vor einem Jahr. Pferdchen ist mein Zeuge.«
    In der Wüste hast du der Taschenspielerei entsagt. Der Kraft, die man im Blute hat, kann man nicht entsagen. Du hast sie noch immer. Wir werden dich lehren, sie zu gebrauchen.
    »Und ist es nicht zufällig so«, schrie sie, »dass diese Macht, diese Herrschaft über die Welten, die ich angeblich habe, ihr erlangen wollt?«
    Es ist nicht so. Wir brauchen diese Macht nicht zu erlangen. Denn wir haben sie schon immer.
    Vertrau ihnen,
bat Ihuarraquax.
Vertrau, Sternäugige.
    »Unter einer Bedingung.«
    Die Einhörner rissen die Köpfe hoch, blähten die Nüstern, man hätte meinen können, aus ihren Augen würden gleich Funken sprühen. Sie mögen es nicht, dachte Ciri, wenn man ihnen Bedingungen stellt, sie mögen nicht einmal den Klang dieses Wortes. Damnuair, ich weiß nicht, ob ich recht tue   … Wenn das nur nicht tragisch endet   …
    Wir hören. Was ist das für eine Bedingung?
    »Ihuarraquax muss bei mir sein.«
     
    Gegen Abend bewölkte sich der Himmel, es wurde schwül, vom Flusse stieg ein dichter, klebriger Dunst auf. Und als die Dunkelheit über Tir ná Lia niedersank, war in der Ferne mit dumpfem Grollen ein Gewitter zu hören, das den Horizont immer wieder mit dem Widerschein von Blitzen erhellte.
    Ciri war schon lange bereit. Schwarz gekleidet, das Schwert auf dem Rücken, wartete sie nervös und angespannt auf die Nacht.
    Sie ging leise durch das leere Vestibül, glitt eine Säulenreihe entlang, trat auf die Terrasse hinaus.

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