Die Darwin-Kinder
Mutter exprimiert viele HERVs, die ursprünglich aus ihrer Plazenta stammen. Manche Wissenschaftler nehmen an, dass diese Expression dem Embryo dabei hilft, sich auf positive Weise gegen das Immunsystem der Mutter zu behaupten – gerade so weit, dass das Immunsystem der Mutter den sich entwickelnden Fötus nicht angreift. TLV, wie Sie wissen, Dr.
Dicken.«
»Howard Temin wird hier als Gott verehrt«, bemerkte Dee Dee Blakemore. »Wir haben im C-Flügel einen kleinen Altar aufgebaut. Betstunde jeden Mittwoch.«
»Antibabypillen führen bei Frauen zu körperlichen Befindlichkeiten, die einer Schwangerschaft ähneln«, fuhr Wrigley fort. »Deshalb sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Frauen, die sie einnehmen, eine ausgezeichnete Versuchsgruppe darstellen. Wir haben zwanzig Freiwillige, fünf davon sind unsere eigenen Wissenschaftlerinnen.«
Blakemore hob die Hand. »Ich bin eine davon. Fühl mich schon ganz kribbelig, so als Versuchskaninchen.« Als sie Wrigley anknurrte und ihre Eckzähne zeigte, warf er in gespielter Angst die Hände in die Luft.
»Irgendwann werden SHEVA-Frauen schwanger werden«, sagte Wrigley. »Und manche werden möglicherweise sogar Antibabypillen nehmen. Wir möchten herausfinden, wie sich das auf die Produktion potenzieller Pathogene auswirkt.«
»Bei den neuartigen Kindern ist die sexuelle Reife und Schwangerschaft wahrscheinlich eine Zeit großer Risiken«, sagte Jurie. »Retroviren, die im natürlichen Verlauf einer SHEVA-Schwangerschaft der zweiten Generation freigesetzt werden, könnten sich auf Menschen übertragen und zu einer weiteren Krankheit führen, die möglicherweise HIV ähnelt.
Tatsächlich nimmt unser Dr. Presky genau wie einige andere Wissenschaftler an, dass etwas Ähnliches die Ursache dafür ist, dass sich HIV unter Menschen verbreitet hat.«
Presky schaltete sich ein. »Könnte ja sein, dass ein Jäger, der im Busch auf Wild aus war, eine schwangere Schimpansin erwischt und geschlachtet hat.« Er zuckte mit den Achseln; diese Hypothese war immer noch reine Spekulation, wie Dicken sehr wohl wusste. Nach seiner Promotion Ende der Achtzigerjahre hatte Dicken zwei Jahre im Kongo und in Zaire verbracht, um dort nach möglichen Ursachen von HIV zu suchen.
»Und nun noch zu unseren Gärten. Dr. Miller?«
Orlin Miller deutete auf die ausgedehnten Gemüse- und Blumengärten unter den Dachfenstern und künstlichen Sonnen, die in eindrucksvollen Reihen wie riesige glänzende Früchte im nördlichen Teil des Lagerhauses hingen. »Meine Gruppe befasst sich mit dem Transfer viraler Gene zwischen Pflanzen und Insekten, Pilzen und Bakterien. Wie Dr. Jurie bereits angedeutet hat, untersuchen wir auch menschliche Gene, die ihren Ursprung möglicherweise in Pflanzen haben. Bei dieser Sache sehe ich den Nobelpreis direkt schon vor mir.«
»Nicht, dass Sie jemals auf die Bühne steigen werden, um ihn persönlich abzuholen«, mahnte Jurie.
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Miller etwas frustriert.
»Das reicht. Soll nur ein kleiner Vorgeschmack sein.« Jurie blieb vor einem Becken stehen, in dem junger Mais üppig wucherte. »Sieben weitere Abteilungsleiter, die heute Abend nicht hier sein konnten, haben ihre Glückwünsche ausrichten lassen – sie gratulieren mir dafür, dass ich Dr. Dicken an Land gezogen habe. Dr. Dicken gratulieren sie nicht unbedingt zu seiner neuen Arbeitsstelle.«
Die anderen lächelten.
»Danke, meine Herren.« Nachdem Jurie ihnen zum Abschied wie einer Schülergruppe zugewinkt hatte, verabschiedeten sich die Abteilungsleiter und verließen im Gänsemarsch das Lagerhaus, nur Turner blieb da.
Jurie fixierte Dicken mit seinem Blick. »Die National Institutes of Health haben mir mitgeteilt, dass ich Sie im Zentrum für Pathogene bestimmt gut brauchen könne. Die NIH
finanzieren einen wesentlichen Teil meiner Arbeit, über den Krisenstab. Trotzdem bin ich neugierig. Warum haben Sie die Position hier angenommen? Doch bestimmt nicht, weil Sie mich so sehr schätzen und lieben, Dr. Dicken.« Jurie kreuzte locker die Arme vor der Brust. Dann tasteten sich seine knochigen Finger suchend vor und marschierten bis zu den Ellbogen, wobei sich die Arme immer enger miteinander verschränkten.
»Ich gehe dorthin, wo die Wissenschaft ist«, erwiderte Dicken. »Ich glaube, Sie sind drauf und dran, ein paar interessante Dinge zu entdecken. Und dabei kann ich meiner Meinung nach helfen. Außerdem…«, er stockte. »Man hat Ihnen ja eine Liste gegeben. Sie
Weitere Kostenlose Bücher