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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Krankheitserreger bei der Mutter zu schwächen. Es war ein sorgsam austariertes System der Selektion, ein wahrer Seiltanz, der höchste Trennungsschärfe voraussetzte.
    Aufgrund der Schutzfunktion der genetisch überlieferten Retroviren hatte das Ausschalten der ERVs – die Beseitigung oder Unterdrückung der meisten oder aller ,Erbsünden’ des Genoms – unvermeidlich tödliche Folgen.
    Kaye erinnerte sich noch lebhaft daran, wie ihr ein Schauer über den Rücken gelaufen war, als Mitchs Mutter SHEVA als
    ,Erbsünde’ bezeichnet hatte. Wie lange war das her, fünfzehn Jahre? Unmittelbar, nachdem sie Stella gezeugt hatten, war diese Bemerkung gefallen. Falls SHEVA und andere ERVs die
    ,Erbsünde’ darstellten, dann sah es allmählich ganz danach aus, als ob alle Säugetiere mit Plazenta, vielleicht sogar alle Vielzeller, von dieser Erbsünde geprägt waren, sie zum Leben brauchten, ohne sie sterben mussten.
    Und war es im Garten Eden nicht genau darum gegangen?
    Um die Entwicklung von Sexualität, von Selbsterkenntnis und des uns bekannten Lebens.
    Und all das ausgelöst durch Viren.
    »Zur Hölle damit«, murmelte Kaye. »Wir müssen eine neue Bezeichnung für diese Dinge finden.«

    12
    Arizona

    Die schlimmste Stunde des Tages war für Stella der Anwesenheitsappell. Dazu mussten sich alle Mädchen im großen Zelt versammeln, wo Miss Kantor die Reihen abschritt.
    Mit gekreuzten Beinen saß Stella auf dem Boden und zeichnete mit einem Finger Umrisse von kleinen Blumen und Vögeln in den Sand. Die Zeltplane flatterte im sanften Wind des frühen Morgens. Während Miss Kantor zwischen den Jugendlichen, die im Schneidersitz reihenweise auf dem Boden hockten, hin und her ging, blätterte sie in ihrem Ordner mit den Tagesprotokollen. Sie verließ sich völlig auf Papier, allein schon deswegen, weil der Verlust eines schuleigenen Notebooks oder Laptops im Lager als schweres Vergehen galt, das mit Entlassung geahndet werden konnte.
    Die Wohnheime waren weder mit Telefonen noch mit Satellitenschüsseln oder Radios ausgerüstet. Das Fernsehen beschränkte sich auf Videofilme mit Bildungsprogrammen.
    Stella und die meisten anderen Kinder hatten mit der Zeit einen ziemlichen Widerwillen gegen das Fernsehen entwickelt.
    »Ellie Ann Garcia.«
    »Hier.«
    »Stella Nova Rafelson.«
    »Hier.« Silberhell drang Stellas Stimme durch die kühle Wüstenluft.
    »Was macht deine Erkältung, Stella?«, fragte Miss Kantor, als sie die Reihe abschritt.
    »Ist vorbei.«

    »Hat acht Tage gedauert, stimmt’s?« Miss Kantor klopfte mit dem Kugelschreiber auf den Ordner mit den Tagesprotokollen.
    »Ja, Maam.«
    »Das ist schon die fünfte Erkältungswelle in diesem Jahr.«
    Stella nickte. Die Betreuerinnen führten sorgfältig und umständlich Buch über alle Infektionen. Vor fünf Tagen war Stella mehrere Stunden lang untersucht worden, genau wie zwei Dutzend weitere Kinder mit ähnlichen Erkältungssymptomen.
    »Kathy Chu.«
    »Hier!«
    Nach Ende des Appells kam Miss Kantor noch einmal zu Stella. »Produzierst du Fieberdüfte, Stella?«
    Stella sah auf. »Nein, Miss Kantor.«
    »Mein kleiner Sensor verrät mir das aber.« Sie klopfte auf den Geruchsdetektor an ihrem Gürtel. Aber weder Stella noch irgendein Mädchen in ihrer Umgebung produzierten Düfte.
    Miss Kantors elektronischer Spion irrte und Stella wusste auch, warum: Miss Kantor hatte gerade ihre Monatsblutung und das konnte beim Sensor einen falschen Alarm auslösen.
    Allerdings wäre Stella nie auf die Idee gekommen, es Miss Kantor mitzuteilen. Menschen hassten es, wenn man ihnen sagte, dass sie verräterische Düfte von sich gaben.
    »Wenn du dich selbst nicht kontrollieren kannst, wirst du nie lernen, in der Welt da draußen zurecht zu kommen.« Miss Kantor kniete sich vor Stella.
    »Du kennst doch die Regeln.«
    Stella stand auf, sie brauchte keine Aufforderung. Allerdings hatte sie keine Ahnung, warum Miss Kantor ausgerechnet sie herausgegriffen hatte. Sie hatte doch gar nichts Außergewöhnliches getan.
    »Warte drüben beim Lastwagen.«

    Stella ging zu dem weißen Transporter hinüber, der im Licht der Morgensonne glänzte. Der Himmel über den Bergen strahlte in sattem Blau. In wenigen Stunden würde es sehr heiß werden, später vielleicht heftig regnen. Am Spätnachmittag würde die Luft dann ideal für das Erschnuppern von Düften sein, wenn sie sich mit den Jungen trafen. Das wollte Stella auf keinen Fall verpassen.
    Gleich nachdem die Zählung beendet war, brachen

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