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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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hängte ihren Mantel am Knauf hinter der Labortür auf.
    »Fährt er jetzt weitere Geschütze auf?«
    »Mhm, mhm. Ich glaube Jackson ist neidisch, weil man Sie und nicht ihn zur Anhörung geladen hat.«
    »Darum sollte mich niemand beneiden.« Kaye schnippte mit den Fingern.
    »Geben Sie’s mir.«
    Cantrera grinste und reichte ihr den Schnellhefter. »Der wird noch immer damit beschäftigt sein, ein Seuchenmodell durchzudrücken, wenn das Karolinska-Institut in Stockholm Sie schon längst mit Gold behängt hat.«
    Kaye blätterte die fünfzig Seiten flüchtig durch. Die Mappe enthielt eine Zusammenfassung ihrer gemeinsamen Arbeit der letzten zwei Jahre und der Reaktionen darauf. Der Inhalt war wirklich ein Hammer. Robert Jackson, der Forschungsleiter der größeren Arbeitsgruppe und in gewisser Weise ihr Chef, gab sich derzeit alle Mühe, Kaye aus seinen Laboratorien und dem Gebäude zu drängen und somit aus dem Weg zu räumen.

    Auf der letzten Seite hing ein Klebezettel, auf dem der voraussichtliche Erscheinungstermin seines Aufsatzes im Journal of Biologics and Epigenetics notiert war: Dezember.
    »Wie schön für ihn, dass sein Aufsatz die Hürden kollegialer Gutachten genommen hat.«
    Liz stemmte die Hände in die Hüften und blieb in kämpferischer Erwartungshaltung vor Kaye stehen, schob eine Strähne ihres lockigen rotblonden Haares zurück und kaute hörbar auf einem Streifen Kaugummi herum. Ihre Augen glänzten wie frische blaue Tinte. »Er behauptet, dass wir notwendige Transkriptionsfaktoren in der Umgebung der Ziel-ERVs eliminieren und somit das Kind mit dem verseuchten Bade ausschütten.«
    »Viele dieser Faktoren werden ihrerseits erst von ERVs aktiviert. Man kann das eine nicht ohne das andere haben. Na ja, zumindest können wir ihm in diesem Punkt den Wind aus den Segeln nehmen.« Kaye ließ sich auf einen Laborhocker sacken. »Wir kommen überhaupt nicht weiter«, murmelte sie vor sich hin. »Wir entfernen die Viren und bekommen keinen Schimpansen-Nachwuchs. Da hätte er doch leichtes Spiel.« Sie sah zu Liz empor, die immer noch aufreizend mit den Hüften wackelte und mit dem Kaugummi schnalzte, als wolle sie La Robert auf diese Weise provozieren.
    Liz verzog ihr Gesicht zu einem breiten, süffisanten Grinsen.
    »Fühlen Sie sich jetzt besser?«
    Kaye schüttelte den Kopf und musste unwillkürlich lachen.
    »Sie sehen aus wie ein Gassenmädchen aus einem Broadway-Stück. Wen verkörpern Sie denn gerade? Bernadette Peters?«
    Liz schob die Hüften vor und bauschte mit einer Hand ihr Haar auf. »Die ist wirklich großartig. Welches Theaterstück meinen Sie? Eine Neuauflage von Put the Blame on Marne?«
    »Sweeney Todd.«
    »Das wäre dann aber Winona Ryder.«

    Kaye stöhnte. »Woher schöpfen Sie nur all die Energie?«
    »Aus meiner Verbitterung. – Nein, ganz im Ernst: Wie ist es gelaufen?«
    »Die eine Seite benutzt mich als Stütze und die andere als Sündenbock. Ich fühle mich wie Dorothy im Zauberer von Oz: mitten in einem Wirbelsturm.«
    »Tut mir Leid.«
    Als Kaye sich streckte, merkte sie, wie es in ihrem Rücken knackte. Früher hatte Mitch sie immer so wunderbar gedehnt.
    Noch einmal ging sie Jacksons Aufzeichnungen durch, bis sie die Seite wiederfand, auf die sie kurz zuvor instinktiv und mit etwas Glück gestoßen war: Laborberichte, die ihr Misstrauen erregt hatten.
    Wie üblich hatte sich Jackson in einem Labyrinth von in-vitra -Untersuchungen verloren – in Sackgassen voller Teströhrchen und Petrischalen, in denen er mit der Entwicklung von Tera2-Tumorzellen herumexperimentierte –, erwiesenermaßen Fallen und bestens dazu geeignet, mit den ERVs falsch umzugehen. Teufel noch mal, er greift ja sogar auf Kükenembryonen zurück. Dabei nutzen Eierleger die ERVs doch gar nicht auf dieselbe Art wie wir.
    »Jacksons Impfstoffe töten die Affen«, sagte Kaye leise und klopfte auf die Seite. »Marge verabscheut Projekte, die nie über das Stadium von Tierversuchen hinausgelangen.«
    »Sollen wir mit Dr. Jackson mal wieder Ich-hab-dich-ertappt spielen?«, fragte Liz mit Unschuldsmiene.
    »Klar doch. Das hat mich jetzt fast wieder aufgeheitert.«
    Kaye ließ die Mappe auf ihren kleinen überfüllten Schreibtisch fallen.
    »Ich muss los, um unsere Versuchsanordnungen zu überprüfen. Und dann gehe ich nach Hause«, rief Liz, während sie sich mit einer Schale durch die Tür schob. »Ich hab die ganze Nacht durchgearbeitet. Sind Sie die ganze Woche da?«

    »Bis die mich rausschmeißen.«

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