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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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einige Sekunden in der Luft hingen, sah Kaye Roth unverwandt an.

    Er war der Erste, der zwinkern musste. »Ich nehme an, es ist eine großartige Erfahrung, aber was habe ich damit zu tun?«
    »Gott begegnet den meisten von uns. Ich habe William James und andere Bücher gelesen, die sich mit dieser Art von Erfahrung befassen. Mindestens die Hälfte der menschlichen Spezies hat irgendwann im Leben ein solches Erlebnis. Es ist mit nichts, das ich jemals empfunden habe, zu vergleichen. Es verändert das ganze Leben, auch wenn es sehr… sehr unbequem ist. Und unerklärlich. Ich habe nicht darum gebeten, aber kann und werde nicht leugnen, dass es ein reales Phänomen ist.«
    Roth hörte Kaye mit unbewegter Miene zu; er hatte die Augenbrauen zusammengezogen, die Augen weit aufgerissen und die Lippen geöffnet. Schließlich setzte er sich auf und verschränkte die Arme auf dem Schreibtisch. »Kein Witz?«
    »Kein Witz.«
    Er dachte weiter darüber nach. »Jeder hier steht unter Druck.«
    »Ich glaube nicht, dass das irgendetwas damit zu tun hat«, erwiderte Kaye und fügte bedächtig hinzu: »Ich habe diese Möglichkeit auch schon in Betracht gezogen, ehrlich. Aber ich glaube einfach nicht, dass es daran liegt.«
    Roth befeuchtete seine Lippen und wich ihrem Blick aus.
    »Was also hat das mit mir zu tun?«
    Als sie die Hand ausstreckte, um seinen Arm zu berühren, zog er ihn hastig weg. »Herbert, hat irgendjemand schon einmal das Gehirn eines Menschen gescannt, der gerade eine Gotteserfahrung macht? Der eine Gotteserscheinung hat?«
    »Mehrfach«, erwiderte Roth abwehrend. »Die Forschungsarbeiten von Persinger. Stadien der Meditation und Ähnliches. Es gibt Literatur darüber.«

    »Persinger, Damasio, Posner, Ramachandran – ich hab sie alle gelesen.« Bei jedem Namen streckte sie einen Finger hoch.
    »Glauben Sie etwa, ich hätte mich nicht damit befasst?«
    Roth lächelte verlegen.
    »Stadien der Meditation, der Einheit mit etwas Göttlichem, der Verzückung – all das kann man durch entsprechende Übungen herbeiführen. Man hat eine gewisse persönliche Kontrolle darüber… aber nicht über das hier. Ich habe nachgeforscht. Man kann es nicht bewusst herbeiführen, wie sehr man auch darum beten mag. Es kommt und geht, als hätte es einen eigenen Willen.«
    »Gott redet nicht einfach mit uns«, sagte Roth. »Ich meine, selbst wenn ich an die Existenz Gottes glauben würde, kommt so etwas doch nur unglaublich selten vor, vielleicht ist es schon seit zweitausend Jahren nicht mehr passiert. Ich denke dabei an die Propheten, an Jesus, etwas dieser Art.«
    »Es kommt gar nicht so selten vor. Es gibt viele Bezeichnungen dafür und die Menschen reagieren unterschiedlich darauf. Es stellt etwas mit einem an, stellt das eigene Leben auf den Kopf, gibt ihm Richtung und Bedeutung.
    Manchmal zerbrechen die Menschen auch daran.« Sie schüttelte den Kopf. »Mutter Teresa hat es zum Weinen gebracht, dass Gott sie nicht regelmäßig besuchen kam. Sie wollte fortwährend Bestätigung, wollte sicher sein, dass ihre Arbeit, ihre Schmerzen, ihre Opfer der Mühe wert waren.
    Dennoch kann niemand wirklich wissen, ob Mutter Teresa dieselbe Erfahrung gemacht hat wie ich gerade jetzt…« Sie holte tief Luft. »Ich möchte wissen, was mit mir geschieht. Mit uns geschieht. Wir brauchen eine wissenschaftliche Grundlage, um das zu begreifen.«
    Roth konnte damit nichts anfangen und wusste nicht, wie er reagieren sollte. »Kaye, ist das hier wirklich der richtige Ort, um solche Fragen zu klären? Sollen Sie hier nicht über Viren forschen? Oder halten Sie Gott für ein Virus?«
    Kaye starrte Roth fassungslos an. »Nein«, sagte sie, »es handelt sich nicht um ein Virus. Es hat nichts mit Genetik, vermutlich nicht einmal mit Biologie zu tun. Mal abgesehen von der Tatsache, dass es mich innerlich berührt.«
    »Wie können Sie so sicher sein?«
    Erneut schloss Kaye die Augen. Sie brauchte ihr Inneres gar nicht zu erforschen. Die Empfindung war einfach da, überflutete sie mit Wellen des Erstaunens, mit kindlicher Ausgelassenheit und den bestürzten Gefühlen eines Erwachsenen. Der Rufer begegnete all ihren Emotionen und Reaktionen mit etwas, das nicht Toleranz, nicht einmal Belustigung ähnelte, sondern eine ebenso vorbehaltlos-kindliche wie unendlich reife und weise Akzeptanz ausdrückte.
    Irgendetwas labte sich an Kaye Langs Seele und empfand sie als köstlich.
    »Weil es größer ist als alles, was ich kenne«, erwiderte sie schließlich.

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