Die Darwin-Kinder
sagte Merton.
»Sie könnens wohl nie lassen, den Klischee-Engländer aus zweitklassigen Filmen rauszuhängen, wie?«, fauchte Fitz.
»Bitte, Kinder«, mahnte Eileen.
»Relativ hoch gewachsen, möglicherweise größer als Charlene. Recht robust, kräftiger Knochenbau«, fuhr Mitch fort, der durch das Aussprechen seiner Beobachtungen die eigene Verwirrung zu überwinden versuchte.
»Fliehende Stirn, mittlere bis kleine Hirnschale, aber recht flaches Gesicht. Eindrucksvoller Torus über den Augenhöhlen.
Leichte Andeutung eines Sagittalknochens, sogar ein Hinterhauptbein ist zu sehen. Die Schneidezähne würde ich mir gern näher betrachten.«
»Sind schaufeiförmig«, sagte Eileen.
Mitch rieb sich die schlaffe Hand, die zu kribbeln begonnen hatte, und sah die anderen so an, als wären sie alle verrückt.
»Gerde stammt aus einer Zeit, die viel zu früh für das hier liegt. Sie sieht wie der australische Fund von Broken Hill aus.
Sie ist ein Homo erectus.«
»Offensichtlich«, schnaubte Fitz.
»Aber die sind seit mehr als dreihunderttausend Jahren ausgestorben«, sagte Mitch.
»Anscheinend nicht«, entgegnete Eileen.
Mitch lachte und fuhr so heftig zurück, als habe er sich über eine Wespe gebeugt, die plötzlich losgeflogen war. »Mein Gott.«
»Ist das alles?«, fragte Eileen. »Mehr hast du nicht dazu zu sagen?« Sie zog ihn auf, dennoch lag eine gewisse Schärfe in ihrem Ton.
»Ihr habt länger als ich Zeit gehabt, euch an die Vorstellung zu gewöhnen.«
»Wer sagt denn, wir hätten uns daran gewöhnt?«, fragte Eileen.
»Was ist mit dem Fötus?«
»Ist noch in so frühem Stadium, dass keine Einzelheiten zu erkennen sind«, erwiderte Fitz. »Ist wahrscheinlich vergebliche Liebesmüh, sich damit zu befassen.«
»Ich finde, wir sollten mit einer Sonde, eine kleine Probe aus dem Inneren entnehmen und mit der Polymerasekettenreaktion mitochondriale DNA aus den verbliebenen Hautschichten vermehren«, erklärte Merton.
»Träumer«, sagte Fitz. »Sie sind zwanzigtausend Jahre alt.
Ganz abgesehen davon, dass der Lahar sie gekocht hat.«
»Aber nicht püriert.«
»Versuchen Sie, nicht wie ein Journalist, sondern wie ein Wissenschaftler zu denken.«
»Sch-sch«, machte Eileen mit Rücksicht auf Mitch, der immer noch wie gebannt auf die Leinwand starrte. »Hier kommt das Material, das wir über die Hauptgruppe haben.« Sie rief einen weiteren Satz gespenstischer Abbildungen auf.
»Gertie und Charlene liegen außerhalb der Gruppe. Diese vier sind Hildegard, Natasha, Sonya und Penelope. Hildegard war vermutlich die Älteste, Ende dreißig und bereits von Arthritis geplagt.«
Hildegard, Natasha und Sonya waren eindeutig der Gattung Homo sapiens zuzurechnen, während Penelope ebenfalls ein Homo erectus war. Sie lagen ineinander verschlungen da, als wären sie in enger Umarmung gestorben – ein Mandala aus Knochen, das auf traurige Weise anmutig wirkte.
»Strenggläubige Wissenschaftler nennen das eine zufällige Ansammlung von Überresten, die von der Flut hier abgelagert wurden«, sagte Fitz.
»Und was würdest du ihnen entgegnen?«, fragte Eileen Mitch provozierend und fiel ihm gegenüber in die alte Rolle der Schulmeisterin zurück.
Mitch war immer noch bemüht, das Atmen nicht ganz zu vergessen. »Ihre Glieder sind deutlich zu erkennen. Sie haben die Arme umeinander geschlungen. Sie liegen nicht in seltsamen Winkeln zueinander, nicht so, als hätte der Zufall sie aufeinander geschleudert. Auf keinen Fall hat das die Flut bewirkt.«
Verblüfft sah Mitch, dass Fitz und Eileen einander in die Arme fielen. »Diese Frauen kannten einander«, bestätigte Eileen, während ihr Tränen der Erleichterung über die Wangen kullerten. »Sie haben zusammengearbeitet, sind miteinander umhergestreift. Eine Gruppe von Nomaden, die ein Aufstoßen des Mount Hood in ihrem Lager erwischt hat. Ich kann es spüren.«
»Geben Sie uns Recht?«, fragte Fitz mit funkelnden, argwöhnischen Augen.
»Homo erectus. Nordamerika. Vor zwanzigtausend Jahren.«
Mitch runzelte die Stirn. »Und wo sind die Männer?«
»Zum Teufel mit den Männern«, schnappte Fitz. »Geben Sie uns Recht oder nicht?«
»Tja«, erwiderte Mitch, der die Spannung spürte und merkte, dass sein Zögern Eileen zu schaffen machte. »Ich gebe euch Recht.« Voller Anteilnahme legte er Eileen den gesunden Arm um die Schulter.
Oliver Merton faltete die Hände wie ein kleiner Junge, der auf die Weihnachtsbescherung wartet. »Ihnen ist ja wohl klar,
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