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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Gerüchen fest, die zulässig beziehungsweise unzulässig sind. Die Gruppen schließen sich zu größeren Einheiten zusammen. Vielleicht, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu schützen, aber ich glaube, es geht vor allem darum, eine neue Sprache zu definieren.« DeWitt schüttelte den Kopf, verbarg den maskierten Mund in der Handfläche und griff sich an den Ellbogen. »Die Kinder haben mir so viel Neues beigebracht…«
    Dicken nahm das Kinn des Jungen in die Hand und drehte es vorsichtig: Der Kopf baumelte schlaff vom mageren Hals. Als der Junge die Augen aufschlug, erwiderte Dicken den leeren Blick, streichelte ihm die Stirn und fuhr ihm mit dem behandschuhten Finger über die Wange. Die Haut blieb blass.
    »Die Kapillargefäße sind betroffen«, murmelte er.
    »Das Virus greift die Zellschicht an, die Blut- und Lymphgefäße auskleidet«, sagte Kelson. »Zwischen den Fingern und Zehen haben sie offene Stellen, manche weisen auch Blasen auf. Es ist schon eine verdammt exotische Krankheit, mit all diesen seltsamen Phänomenen.«
    Als der Junge die Augen schloss, hob das Mädchen den Kopf. »Ich gehöre gar nicht zu seinem Perf«, sagte sie mit einer Stimme, die wie ein hohes Säuseln klang. »Er hat gestern Nacht seinen Perf verloren. Ich glaube, er will gar nicht mehr leben.«
    DeWitt kniete sich neben das Mädchen. »Du solltest zurück in dein eigenes Bett gehen. Du bist doch auch krank.«
    »Das kann ich nicht.« Das Mädchen ließ den Kopf wieder aufs Bett sinken.
    Dicken stand auf und versuchte verzweifelt, Klarheit in seinen Kopf zu bringen.
    Der Direktor zeigte pflichtschuldigst Mitgefühl. »Ein völliges Chaos«, murmelte er, durch das Taschentuch kaum zu verstehen. Als sich das Handy in seiner Hosentasche meldete, entschuldigte er sich, nahm das Taschentuch vom Mund und wandte sich ab, um das Gespräch entgegenzunehmen. Nach ein paar leise gemurmelten Erwiderungen klappte er das Handy zu. »Wunderbare Neuigkeiten. Ich erwarte jeden Moment einen Lastwagen mit medizinischem Nachschub aus Dayton, ich will gleich nach unten gehen. Dr. Kelson, Ms. Middleton: Ich vertraue Ihnen unsere Gäste an. Möchten Sie in meinem Büro arbeiten, Dr. Augustine, oder lieber hier bleiben? Ich kann mir vorstellen, dass Sie jede Menge Verwaltungskram zu erledigen haben…«
    »Ich bleibe hier.«
    »Ganz wie Sie möchten.« Mit einigem Erstaunen sahen sie, wie der Direktor ihnen locker und beinahe so, als wolle er sie aus seinen Diensten entlassen – Abtreten! – zuwinkte. Durch die Reihen der Feldbetten bahnte er sich den Weg zur Tür.
    Kelson verdrehte die trüben Augen. »Gott sei Dank, dass wir den los sind«, murmelte er.
    »Die Kinder verlieren jeden sozialen Zusammenhalt«, sagte DeWitt. »Ich habe Trask schon seit Monaten beizubringen versucht, dass wir zusätzliche ausgebildete Beobachter, professionelle Anthropologen, brauchen. Können Sie sich vorstellen, was es für die Kinder bedeutet, wenn sie ihre Blutsfreunde – sie nennen den Zusammenschluss in der Gruppe auch Perf –verlieren?«
    »Diana ist ihr Schutzengel«, bemerkte Kelson. »Sie weiß, was die Kinder denken. Das kann sich in den nächsten Stunden als genauso wichtig erweisen wie Medizin.« Er schüttelte den Kopf, wobei die Hängebacken um das Kinn schwabbelten. »Es sind doch unschuldige Kinder. Das hier haben sie nicht verdient. Genauso wenig, wie wir Trask verdient haben. Dieser staatlich anerkannte Mistkerl hat seine Finger im Spiel, da bin ich mir sicher. Er macht da irgendwelche dunklen Geschäfte, aus denen er persönlich Gewinn zieht.«
    Als er das losgeworden war, blickte Kelson zur Decke.
    »Entschuldigen Sie, aber das ist, verdammt noch mal, wahr.
    Ich muss zurück an die Arbeit. Sie haben alle Einrichtungen zu Ihrer Verfügung, Dr. Dicken.« Er drehte sich um, ging durch eine Reihe mit Feldbetten und verließ den Saal durch die Tür am anderen Ende.

    »Er ist ein guter Mann«, sagte Middleton. Als sie die Hintertür aufschloss, die zur Laderampe der Krankenstation führte, sah sie Dicken mit hochgezogener Braue an. »Früher war’s hier recht gemütlich. Unterbringung und Verpflegung garantiert, Arbeit in der besten schulischen Einrichtung der Welt. Wir haben immer gesagt: Was haben wir’s leicht mit diesen Kindern. Und dann verpissen die sich einfach, diese Dreckskerle.«
    Middleton führte sie die Laderampe hinunter zu einem elektrischen Golfwägelchen, das im Lieferantenbereich abgestellt war. DeWitt nahm neben ihr Platz.

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