Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz
Vom Netzwerk:
ihre Daten zur Steigerung von Firmenwert und Umsatz zu monetarisieren, sind real und geradezu alltäglich. Genau so operieren heute Tausende Unternehmen, die Beschreibung der Vorgehensweisen und Verfahren entspricht dem heute typischen Vorgehen bei Internetunternehmen. Die Mechanismen des Venture-Kapitals gleichen sich. Der Druck, den sie auf die Gründer ausüben, die Hektik, die Angst vor dem Aus, die vielen kleinen und großen Lügen, die unerfüllten Versprechungen und Übertretungen von vormals als unumstößlich deklarierten Prinzipien, alles, um das Rad weiterdrehen zu lassen – all das ist vollständig authentisch.
    Die digitalen Dossiers über Menschen und ihre Haustiere, die MyBelovedPet angesammelt hat, haben den Besitzer gewechselt. Es wird nur ein erster Schritt in einer Kette von Datenzusammenführungen sein. Die Profile werden in andere Datenbanken integriert, mit neuen Informationsquellen abgeglichen. In der Folge verbessert sich die Treffsicherheit und Genauigkeit der Daten, die Fehlerquoten sinken. Aus den scheinbar harmlosen Informationen werden präzise Verhaltens- und Kaufprofile, deren Wert mit jeder Datenaggregation und Vernetzung weiter steigt.
    Was ist schon dabei, ein paar Angaben über sich und sein Haustier ins Netz zu stellen? Was kann schon jemand über mich wissen, wenn ich einige Bilder hochlade und Fragen über meine Interessen für mein Nutzerkonto beantworte? Die Antwort darauf liegt in der Vernetzung der Informationen und der einerseits offensichtlichen, andererseits klandestinen Erfassung des Nutzerverhaltens. Kombiniert mit moderner Konsumforschung werden individuelle Dossiers erstellt, die zielgerichtet verwendet werden können.
    Es ist eine weitverbreitete Wahrnehmung, daß Werbung harmlos und individualisierte Offerten doch eigentlich nur besser sind. Je gezielter die Werbebotschaft, desto geringer die Belästigung mit Dingen, die einen sowieso nicht interessieren. Aber ist das wirklich so? Nicht nur Google träumt schon davon, daß uns das Mobiltelefon auf der Basis der gespeicherten Vorlieben und Zuordnungen zu Zielgruppen aktiv Vorschläge unterbreitet, was man so tun könnte und wofür man jetzt am besten sein Geld ausgeben sollte. Das reicht vom Restaurant in der Nähe oder dem Schuhladen mit seinen momentanen Angeboten bis zum Sex-Kino.
    Die unschöne Wirklichkeit sieht doch so aus, daß viele Menschen durch Werbung dazu verleitet werden, unnütze, ressourcenverschlingende Ausgaben zu tätigen. Und je gezielter das geschieht, desto mehr Geld geben sie aus. Die Grundannahme, daß der mündige Bürger schon ganz gut damit umgehen kann, was ihm die Werbeindustrie einzutrichtern versucht, gilt es zu hinterfragen. Doch wenn die Produktempfehlung nicht mehr abstrakt ist, sondern quasi aus den eigenen Gedanken errechnet wird, wenn die Empfehlungen hoch präzise und vollkommen treffsicher sind, dann verschwindet die Grenze zwischen Werbung und Manipulation zusehends.
    Ein weiterer Aspekt ist natürlich der direkte Mißbrauch der angesammelten Datenberge. Das fängt mit der Bombardierung mit angeblichen Lotterie- und Preisausschreiben-Gewinnen an, die nur abgerufen werden können, wenn man ein paar Online-Abonnements abschließt, und geht weiter bis zum Identitätsdiebstahl, bei dem Kriminelle mit der geklauten Online-Identität des Opfers betrügen und stehlen. Je dichter das Datennetz, je detaillierter die Informationen, desto besser funktionieren auch Datenverbrechen.
    Internet-Firmen, deren Wert sich nach dem beständigen Zufluß von neuen Nutzern und noch mehr nach von ihnen generierten Kontakten bemißt, haben naturgemäß kein Interesse daran, die negativen Folgen ihres Tuns offen zu debattieren. Die Grenzen zum Betrug am Nutzer sind oft fließend, ethische Bedenken durch die am Beispiel von MyBelovedPet dargestellten Zwänge und Mechanismen kaum vorhanden. Die kognitive Dissonanz zwischen dem postulierten und nach außen kommunizierten Zweck des Unternehmens und den eigentlichen finanziellen Mechanismen, denen die meisten Start-up-Gründer irgendwann erliegen, erlaubt es ihnen nicht, ehrlich auszusprechen, was ihr wirkliches Interesse an den Daten der Nutzer ist. Es bleibt also dem einzelnen selbst überlassen, die üblich gewordenen Praktiken zu hinterfragen und zu entscheiden, wieviel er von sich, seinen Haustieren und seinen Freunden für alle Zukunft preisgibt und was er dafür tatsächlich bekommt.

2. Die schlauen Maschinen
    Algorithmen, Scoring, Kohorten und

Weitere Kostenlose Bücher