Die Datenfresser
Verhaltensvorhersagen
Computer scheinen zwar nicht intelligenter, aber doch immer »schlauer« zu werden. Ihre Fähigkeiten, den Willen und die Wünsche des Menschen zu erahnen, ihm Vorschläge zu machen und sein Handeln zumindest in etwa vorherzusagen, nehmen immer weiter zu. Was steckt aber dahinter, wie funktionieren die Algorithmen? Was ist so ein Algorithmus eigentlich genau?
Algorithmen
Algorithmen sind in erster Linie Abfolgen von Rechenanweisungen, nach denen ein Computer vorgeht. Ein einfaches Beispiel ist die Ermittlung des durchschnittlichen Preises für ein Kilo Spaghetti im Supermarkt. Man notiert von jedem Angebot den Preis und die Packungsgröße, dividiert den Preis durch das Packungsgewicht in Gramm, multipliziert diesen Wert mit eintausend und wiederholt das Ganze für jede angebotene Spaghettisorte. Am Ende addiert man die Preise, dividiert sie durch die Anzahl der Angebote und erhält einen Durchschnittspreis. Die Prozedur ist für einen Computer in einer Zeile mit Anweisungen leicht zusammengefaßt.
Die meisten Menschen heute würden dazu einfach die Tabellenkalkulation auf ihrem Computer benutzen, die zahlreiche mathematische Funktionen für Durchschnitts- und Mittelwerte, Median, Standardabweichung und viele häufig verwendete Formeln enthält. Wer mit der Berechnung von Preisen und Margen, mit dem Vergleichen von Angeboten oder auch nur dem Ausbalancieren der Haushaltskasse befaßt ist, folgt Algorithmen. Ein Algorithmus hat Eingangsparameter, wie etwa die Auflistung von laufenden Kosten und Einkünften, und Ergebnisse, etwa das nach Abzug der Kosten verbleibende Haushaltsbudget, die er am Ende auswerfen soll.
Algorithmen sind bisher noch hauptsächlich von Menschen gemacht. Sie sind das Abbild seiner Intentionen. Häufig werden Algorithmen angewandt, um Komplexität zu reduzieren, also aus großen Datenmengen eine für den Menschen handhabbare Zusammenfassung zu extrahieren. Sie dienen oftmals dabei auch dem Zweck, einmal entworfene Berechnungsregeln oder andere sich oft wiederholende Abläufe zu beschleunigen. Nehmen wir etwa die Berechnung eines Mittelwerts für die Einkommen einer bestimmten Klasse von Mitarbeitern einer Firma oder einer Branche. Wenn man diesen Wert für alle Firmen einer Wirtschaftssparte ausrechnet und sich dann die Abweichung zu Vergleichszahlen mit Gehältern anderer Branchen ansieht, so erhält man einen guten Überblick, wie gut die Firma im Vergleich oder die Branche insgesamt zahlt. Die Rechenregeln sind denkbar einfach, man findet diesen Algorithmus auch in jeder Tabellenkalkulation. Wendet man ihn jedoch auf alle Bürger eines Landes an, entsteht plötzlich ein detailliertes Abbild sozialer Schichten und ihrer Einkommen. Algorithmen sind also mathematische Methoden zur Ableitung von neuen Erkenntnissen und Einordnungen.
Die neue Planwirtschaft
Die digitale Ökonomisierung der Welt nahm mit dem Aufkommen von Lochkartensystemen und Großrechnern ihren Anfang. Die ersten weitverbreiteten Anwendungen in Büros und auf den Rechnern zu Hause waren Tabellenkalkulationen, mithin Hilfen für die Erfassung und Verarbeitung von Zahlen, vor allem von Geldbeträgen. Die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Tabellenkalkulationssoftware erreichte schnell auch kleine Läden und Firmen, als sich PC s verbreiteten. Geschäftsplanung, Preisberechnung, Verkaufsoptimierung, Personal-Incentivierung und Erfolgskontrolle war noch in den 1970ern für die meisten kleineren Unternehmen eine Angelegenheit von Kladde und Stift. Innerhalb weniger Jahre wurden erst Lotus123 und später Microsoft Excel zu Softwarewerkzeugen, ohne die kaum ein Unternehmen mehr funktioniert hat. Effizienter Kapitaleinsatz durch genauere und umfangreichere Kalkulationsmöglichkeiten, Ausreizen von Finanzspielräumen und die Herausbildung innovativer Geschäftsmodelle brachten auch einen Produktivitätsschub. Wenn man genau ausrechnen kann, unter welchen Umständen die Investition in eine neue Fertigungsmaschine lohnt und wieviel Gewinn pro Monat gemacht werden muß, um die dafür nötigen Kredite zu finanzieren, wird die ökonomische Seite der Geschäftsführung einfacher und effizienter.
Auf der anderen Seite wurde die Versuchung immer größer, auch noch die letzten Quentchen Optimierungspotential auszureizen. Die Folgen waren nicht durchgehend positiv. Was mit der Taylorisierung der Produktion und dem Beginn der Fließbandarbeit in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts seinen Anfang nahm und die
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