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Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz
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Datenfresser-Multimillionäre, die lauthals das Lied vom Ende der Privatsphäre singen, ist der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Er führt immer wieder aus, daß der Schutz der Privatheit im Zusammenleben der Menschen an Bedeutung verloren hätte. Daher verhielte sich seine Firma nur konsequent, wenn die Daten der Nutzer vermarktet würden.
    Facebook als das derzeit größte soziale Netzwerk weltweit – mit Ausnahme des chinesischen Marktes – lebt davon, die Gewohnheiten und sozialen Normen seiner Nutzer aktiv in Richtung weniger Privatheit zu verschieben. Über Datenauswertung wird hier natürlich nicht allzu offen geredet, der Fokus der Marketing-Darstellung des Unternehmens liegt auf sozialen Funktionen und virtuellem Miteinander. Das Kunststück, auf dem das Facebook-Geschäftsmodell fußt, besteht vor allem darin, daß die Nutzer von sich aus Profile mit ihren ganz realen Namen anlegen, sie möchten schließlich gefunden werden. Im Gegenzug bekommen sie ein wenig Speicherplatz und die Sichtbarkeit im Netz überreicht.
    Facebooks Unternehmenswert wird, wie im Beispiel MyBelovedPet beschrieben, nach der Anzahl seiner Nutzer bewertet und danach, wie lange sie auf der Seite verweilen und wieviel sie über sich und ihr Leben mitteilen. Zuckerbergs ganz persönliches Vermögen ist also direkt abhängig davon, wie gut es seiner Firma gelingt, Dienste und Funktionen anzubieten, die jedes Facebook-Mitglied nachhaltig dazu verleitet, mehr über sich mitzuteilen und länger auf der Plattform zu bleiben.
    Facebook hat dabei eine interessante Entdeckung gemacht, die für viele Nutzer gilt und typisch menschliche Eigenschaften des sozialen Miteinanders ausnutzt: Je mehr Menschen ihre Stimmungen, Geistesblitze, Lokationsdaten, banalen Alltagsäußerungen, Bilder, Kontakte und Lieblingswebseiten sehen können, desto stärker weitet sich ihre Facebook-Nutzung aus. Jede digitale Lebensäußerung auf Facebook erhöht die Chance, darauf eine Antwort zu bekommen, also die gewünschte Aufmerksamkeit zu erheischen, was wiederum zu mehr Facebook-Nutzung führt.
    Deshalb tut Facebook alles, um diesen Trend zu verstärken, durchaus auch mal mit gewissem Druck und Zwang, nämlich über die Grundeinstellungen, die für neue Funktionen gewählt werden können. Praktisch im Quartalsrhythmus bringt Facebook neue Optionen für seine Mitglieder heraus, die sich meist dadurch auszeichnen, daß man erst einmal die Einstellungen ändern muß, um nicht versehentlich seinen Aufenthaltsort, seine Vorlieben oder seine Bilder mit der ganzen Welt zu teilen, statt nur mit seinen Facebook-Freunden. Diese Facebook-Freunde sind ohnehin nicht identisch mit den Freunden in der realen Welt, es sind in der Regel hauptsächlich Personen, zu denen man eher in loser Verbindung steht.
    Aus den Daten, die zunehmend auch die Internetnutzung außerhalb der eigentlichen Facebook-Seite umfassen, generiert das Unternehmen umfangreiche Profile, die wiederum für gezielte Werbung genutzt werden. Welche Filme sprechen den Nutzer an? Was sieht er im Fernsehen? Welche Nachrichtenseiten frequentiert er und wie regelmäßig? Und diese gesammelten Personenprofile sind oft akkurater als die Selbsteinschätzung von Menschen. Sie sind aktuell und werden fortlaufend genauer. Facebook weiß nicht selten lange vor der Schwiegermutter, daß eine Nutzerin schwanger ist oder welche größere Anschaffung bevorsteht.
    Die Strategie des im Jahr 2004 gegründeten Unternehmens Facebook änderte sich mit seiner Rolle als digitaler Platzhirsch, dessen Aktienwert im Sommer 2010 auf sagenhafte 33 Milliarden Dollar stieg. Wurde anfangs noch ein gewisser Wert auf die Geschlossenheit der Plattform und die Hoheit der Nutzer über ihre Daten gelegt, sollen nun die Verbindungen zum eigenen Freundeskreis omnipräsent werden, auch weit jenseits der Plattform. Klickt man beispielsweise als morgendlicher Nachrichtenleser auf die Seite der Lieblingszeitung und wählt einen Artikel aus, läuft nebenbei die Information mit, daß sich dieser oder jener Arbeitskollege vor vierzig Minuten ebenfalls ebenjene Nachricht durchgelesen hat. Bevor man den Artikel liest, erfährt man so, ob der Inhalt von ihnen als interessant eingeschätzt wurde oder nicht. Neudeutsch heißt das »liken« oder »sharen«.
    Das »liken« ist nur ein Beispiel für viele Funktionen, die Informationen aus der Facebook-Welt hinaustragen und den Kosmos der Plattform verbreitern. Auch in den nicht so bekannten Ecken des Internets

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