Die Datenfresser
Sie folgen einfach nur den Anweisungen, die jeden Morgen auf dem Computerbildschirm stehen. Nach welchen Kriterien »der Computer« jemanden auswählt, können sie bestenfalls aus Erfahrung erraten. Daß das »Gegenwirken«-Opfer nicht der Zufall ausgewählt hat, sondern vielleicht ein spezieller Algorithmus, der bestimmte Verhaltensmuster als problematisch identifiziert hat, ist für sie nicht ersichtlich. Sie machen ja nur ihren Job, sie führen nur Befehle aus, im Dienste von Ordnung und Sicherheit.
Freiheit oder Kontrolle
Dem schwer faßbaren, oft genug illusorischen Ziel der Sicherheit soll alles untergeordnet werden. Ob es um das Durchsuchen des Gepäcks an Flughäfen oder um das heimliche Abhören von Telefonaten geht: Was haben Sie eigentlich dagegen, wenn doch nur Kriminelle gefangen und die Sicherheit erhöht werden soll? Im Namen der gefühlten Sicherheit aller hat gefälligst jeder Opfer zu bringen.
Ob nun Terrorismus, organisierte Kriminalität oder Internetkriminelle, die Maßnahmen, die uns als notwendig zur Verbesserung der Sicherheitslage verkauft werden, zeichnen sich in der Regel dadurch aus, daß sie wenig Aussicht auf Erfolg gegen motivierte und informierte Terroristen und Kriminelle haben. Je nach aktueller Lage eignen sie sich jedoch als Grund, immer weitergehende Eingriffe in das Leben des einzelnen zum angeblichen Wohl der Gemeinschaft vorzunehmen. Mit geringer Anstrengung läßt sich aber praktisch jede dieser Überwachungsmaßnahmen umgehen.
So können etwa die zunehmend eingeführten Nacktscanner, die am Körper getragene Waffen bei Fluggästen erkennen sollen, leicht ausgetrickst werden: Man lege nur ein Schnitzel über die einzuschmuggelnde Waffe. Obwohl das Problem seit langem bekannt ist, werden die millionenteuren Scanner gekauft und vor den Warteschlangen aufgestellt, um danach praktisch alle Fluggäste zur Entblößung zu zwingen. Es gibt dabei nicht den oft so benannten Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit. Die Wahl lautet in Wahrheit: Freiheit oder Kontrolle.
Es sind oft genug die Absatzinteressen der Industrie, die diktieren, welche technischen Neuerungen eingeführt werden und welches Stückchen Privatsphäre dadurch meist unwiderruflich verlorengeht. Das gilt nicht nur für die reale Welt, die Flughäfen und videoüberwachten Innenstädte. Es gilt genauso für die Welt der Daten und Informationen.
Datensteuern für die Sicherheitsillusion
Der Staat in seiner Rolle als Garant für Sicherheit und als Verwalter des sozialen Auffangnetzes möchte sich ebenso wie die Internet-Unternehmen in der neuen Datenwährung entlohnen lassen. Nur allzugern greift er nach den technischen Möglichkeiten, die eine datenbasierte Sicherheitsstrategie zu offerieren scheint. Getrieben wird er einerseits vom Sicherheitsbedürfnis eines alternden und von der Komplexität der modernen Welt zusehends überforderten Teils der Bevölkerung und andererseits von schrumpfenden finanziellen Ressourcen, die ihm dafür zugestanden werden, Kriminalität einzudämmen und die sozial Benachteiligten ruhig zu halten.
Statistisch betrachtet, ist es eher der jüngere Teil der Bevölkerung, der den Großteil der kriminellen Alltagsdelikte begeht. Zufällig ist diese Bevölkerungsgruppe verstärkt online, sie kommuniziert mobil und macht von den Möglichkeiten des Netzes Gebrauch. Was liegt also näher, als die Überwachungsmaßnahmen hier zu konzentrieren? Das Vehikel zur Durchsetzung dieser Maßnahmen ist – wie so oft – die Angst vor dem Terrorismus.
Die Sicherheitsbehörden sind geradezu entzückt über die Möglichkeiten, die sich aus ausufernden Datenbeständen der verschiedenen Unternehmen ergeben. Das immer wieder vorgebrachte Argument, daß die Gesamtheit der Daten über einen Menschen doch sowieso nie von irgend jemand überblickt wird, weil sie in so vielen verschiedenen Datenbanken liegen, wird gerade durch die staatlichen Zugriffsmöglichkeiten irrelevant. Wer in den Fokus der Aufmerksamkeit gerät, muß damit rechnen, daß alle Daten seiner digitalen Identitäten zusammengeführt, sein Leben vollständig durchleuchtet wird. Rabattkarten, Kreditkarten, Kontobewegungen, Telefonanrufe, Facebook-Profile, E-Mails, Bahntickets, Autovermietungen, Flugdaten – alles kann zusammengeführt und zu einem großen digitalen Lebensabbild kombiniert werden. Dabei entstehen zwangsläufig auch unscharfe, ungenaue Ergebnisse, aus denen sich vollautomatisch nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf
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