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Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz
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Repressionsarsenal überkommen.
    Wenn dann noch die Freunde aus den USA Druck machen, um ihre Daten-Zugangsrechte durchzudrücken – selbstverständlich nur gegen den Terrorismus, von Industriespionage und politischer Einflußnahme mag hier niemand reden –, dann bleiben die freiheitlichen Normen der westlichen Demokratien dabei gern mal auf der Strecke. Ein Beispiel ist die europaweite Einführung der biometrischen Merkmale in Reisedokumente (siehe Kapitel 5).
    Wir können bereits jetzt das Phänomen beobachten, daß die neue Maxime staatlichen Handelns eine möglichst weitgehende Erfassung aller Details über den einzelnen ist. Je ärmer, je mehr er auf Sozialleistungen und ähnliches angewiesen ist, desto mehr Datenstriptease wird von ihm verlangt. Das geht hin bis zu Detailbefragungen zum Intimleben von Sozialleistungsempfängern, deren Ergebnisse natürlich auch in Datenbanken erfaßt und gespeichert werden – für immer. Daraus folgt auch, daß gerade diejenigen, die von wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und dem systematischen Umverteilen von unten nach oben betroffen sind, am stärksten erfaßt und verdatet werden.

Geheimdienstmethoden für Polizeibehörden
    Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die verstärkte Anwendung und Verbreitung von Geheimdienstmethoden und -mentalitäten in der »normalen« Arbeit der polizeilichen Sicherheitsbehörden, die sich in den letzten zehn Jahren beobachten läßt. Flächendeckendes Abhören, permanente GPS -Ortung, Zugriff auf Daten in privaten Online-Diensten, präventives Aufzeichnen von Telekommunikationsdaten, das heimliche Eindringen in Computer, um dort an Informationen heranzukommen – all das waren vor nicht allzulanger Zeit Methoden, die von Geheimdiensten verwendet wurden, um Spione zu enttarnen. Mittlerweile sind sie vielerorts auch in Europa zu normalen Hilfsmitteln des Polizeialltags geworden. Hinzu tritt eine Tendenz zu mehr Kooperation und Datenaustausch zwischen Polizeibehörden und Geheimdiensten, die wieder in »gemeinsamen Lagezentren« operieren dürfen.
    Selbst bei relativ geringfügigen Verdachtsmomenten wird schnell das ganze Arsenal der digitalen Staatsgewalt in Stellung gebracht. Der Grund ist nicht zuletzt der Mangel an Geld und qualifiziertem Personal. Weniger beeinträchtigende Ermittlungsmethoden sind personalintensiver und verursachen höhere Kosten durch mehr Arbeit. Die Auswertung von Abhör- und Ortungsprotokollen und von mehr oder minder legal erlangten Datenbeständen aus Online-Unternehmen wird zukünftig eine immer größere Bedeutung einnehmen. Und entgegen landläufiger Vermutungen ist der Einsatz digitaler Ermittlungstätigkeit nicht besonders zielgenau.
    Sie wird oft für die sogenannte »ausweitende Umfeldaufklärung« verwendet. Hier geht es um die Analyse der Sozialkontakte: wer zu einem Freundeskreis gehört, mit wem ein Verdächtiger kommuniziert hat, wer seine Facebook-Freunde sind und wo sich die dazugehörigen Personen bevorzugt aufhalten. Abhöranordnungen werden genau wie Freigaben für den Zugriff auf E-Mails und andere Daten mit leichter Hand erteilt. Richter bewilligen das, was von Polizei und Staatsanwaltschaft beantragt wird, ohnehin in ganz überwiegendem Maße.
    Die Fallzahlen wachsen seit Jahren dramatisch. Beispielhaft ist hier die Telefonüberwachung: Von knapp 3000 abgehörten Anschlüssen Anfang der 1990er Jahre stieg diese Zahl im Jahr 2009 auf über 44 000 überwachte Telefonanschlüsse. Damit wächst gleichermaßen auch die Wahrscheinlichkeit, ohne eigenes Zutun in den Fokus von Ermittlungen zu geraten. In durch spätere Gerichtsverfahren bekanntgewordenen Fällen wurden sogar Freunde der Freunde des eigentlichen Tatverdächtigen abgehört und geortet, der Kreis der Betroffenen geht dann schnell in die Hunderte – und das jeweils nur für eine einzige Überwachungsanordnung.
    Eine weitere wichtige Methode für die Analyse digitaler Daten haben Geheimdienste schon vor Jahrzehnten entdeckt. Das Arbeitsprinzip der Wahrscheinlichkeitsverbesserung beruht darauf, daß selbst Algorithmen, die keine perfekten Ergebnisse liefern, gut genug sind, solange sie die Wahrscheinlichkeit, daß vorwiegend interessante, relevante Informationen auf den Tisch der menschlichen Analysten gelangen, deutlich erhöhen. Die Dienste sind seit Beginn des Digitalzeitalters mit einer stetig wachsenden Datenflut aus strategischen Abhöroperationen und angezapften Datenbanken konfrontiert. Mit den etwas unscharfen, aber wirkungsvollen

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