Die Datenfresser
große ökonomische Bedeutung der Ziba-CleanSteak-Übernahme für das Land, die vor Bedrohungen geschützt werden muß. Obendrein steht die Lebensmittelbranche unter dem speziellen Schutz der Wellenreuther-Gesetze für besonders schutzwürdige Branchen, die äußerst dehnbar ausgelegt werden können.
Im Büro angekommen, machen sich Robert und Maria voller Neugierde an die Analyse der Dokumente, die CleanSteak offenbar geheimhalten wollte. Das Bild wird allmählich klarer. CleanSteak betreibt schon über viele Jahre hinweg eine interne Forschungsabteilung, die zum einen die gesundheitlichen Auswirkungen seiner Produkte auf den Verbraucher weit über das behördlich vorgeschriebene Maß analysiert. Zum anderen arbeitet die Abteilung daran, die Produkte auf positive Gesundheitseffekte hin zu optimieren. Die nächste Generation CleanSteaks sollte noch gesünder, noch wohlschmeckender sein, so die offizielle Aufgabe der Abteilung.
Marias Blick bleibt auf dem Budget der Abteilung hängen. Der Leiter der Forschungsabteilung ist eine Koryphäe für Medizinstatistik. Es gibt diverse Aufträge an externe Analyseinstitute, die Massentests an Mitgliedern von CleanSteak-Fangruppen vornehmen. Diese werden mit großzügigen Produkt-Paketen geködert, um ein wenig Blut abzugeben und die Meßwerte aus ihren Fitneß-Trackern für Analysezwecke zur Verfügung zu stellen.
Merkwürdigerweise fehlen in den CleanSteak-Daten jedoch sowohl die genaue Auftragsbeschreibung als auch die Ergebnisberichte für etwa ein Zehntel der Testreihen. Marias Jagdinstinkt ist geweckt. Sie gräbt weiter, sucht nach zeitlich passenden Kommunikationsvorgängen und Buchungen. Als sie schließlich in einem Archivordner des Vorstandes fündig wird, empfindet sie ein Gefühl aufsteigender Panik. Sie wird bleich. In einem Memo, das offenbar versehentlich über ein System verschickt wurde, das von CleanSteaks Aufzeichnungssystem erfaßt wird, findet sich eine Zusammenfassung der Ergebnisse des mysteriösen Forschungsprogramms. Alle weitere Kommunikation über das Projekt muß offenbar über andere Kanäle gelaufen sein.
Robert spürt Marias entsetzten Blick und läuft zu ihren Bildschirmen. Wortlos zeigt sie auf die Zusammenfassung des Memos. CleanSteaks »Farmers Pride Premium Beef«-Produktlinie ist irgendwann im Laufe der Anpassung und Optimierung der Zellkulturen für die Produktion mit einem bisher kaum bekannten Virus infiziert worden, der sich trotz aller Bemühungen nicht aus der Produktionslinie ausmerzen ließ.
Das Virus infiziert auch Menschen und führt dort bei etwa einem Fünftel der Betroffenen zu einer deutlich erhöhten Neigung zu Fettleibigkeit. CleanSteak hat sogar die Identifizierungsmarkierungen für die genetische Veranlagung ermittelt, bei denen das Virus zur Fettsucht führt. Seit Februar dieses Jahres hatte der CleanSteak-Vorstand Kenntnis von dem Problem, die Produktion war trotzdem nicht angehalten worden. »Farmers Pride Premium Beef« ist schließlich das wichtigste Produkt, das mehr als die Hälfte des Firmenumsatzes garantiert.
»Laß uns mal was essen gehen, bevor es wieder so voll wird.« Roberts Stimme klingt ein wenig gepreßt. Schweigend schnappt sich Maria ihre Jacke. Sie gehen zum Fahrstuhl und holen ihre Räder aus dem Abstellraum im Keller der Kanzlei. Auf dem Weg zu ihrem üblichen Sommer-Imbiß im Park hält Maria an einer Parkbank und schaut Robert fragend an. Sie stellt ihr Fahrrad an einem Baum ab, schließt es an und schiebt demonstrativ ihr Telefon in die Satteltasche, bevor sie sich ein dutzend Meter weiter weg auf eine Bank setzt. Robert folgt ihrem Beispiel. Seinen Fitneß-Tracker hat er ohnehin schon im Büro gelassen.
»Die werden den ganzen Deal abblasen. Wenn das rauskommt, sind die Laborfarmer pleite.« Robert denkt insgeheim, daß sie es nicht besser verdient hätten. Schaudernd blickt er in die Bäume. Man findet nicht jeden Tag ein Dokument, das potentiell einen Acht-Milliarden-Deal platzen läßt. »Und was, wenn nicht?« Maria hat während des Studiums im Bereich Produkthaftungsrecht gearbeitet und kennt genügend Fälle, in denen massive Mängel und Sicherheitsprobleme unter den Tisch gekehrt wurden, um Unternehmensgewinne nicht zu gefährden.
»Der Veith hat uns unter dem Mikroskop. Wir müssen ihm spätestens heute abend Bescheid geben, sonst machen wir uns verdächtig.« Robert überlegt fieberhaft. »Wir brauchen eine Kopie von dem Memo, für den Fall das Ziba das Virus egal ist. Aus dem
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