Die Datenfresser
Begegnungen interessiert ansah, aber bisher zu feige war, sie anzusprechen, und verschwieg selbstverständlich auch das Detail mit der Nahverkehrszauberkarte. Ein Gespräch mit ihr mußte warten, bis dieses Projekt zu Ende war und er nicht mehr unter Datenbeobachtung stand.
Treffer
Marias Wohnung, die sie sich mit einer Freundin teilt, liegt weiter weg vom Büro als Roberts eigene Bleibe, aber dafür hat sie einen Balkon auf einen ruhigen Hinterhof. Sie übernachten öfter dort als bei Robert. Maria mochte sein modernes, durchtechnisiertes Appartement mit den vielen Displays und den pseudointelligenten Vorrichtungen nicht besonders, die er sich in seiner Junggesellenzeit aus Faulheit und Langeweile hatte installieren lassen. Sie bevorzugt eine elegante Schlichtheit und die neue Generation langlebiger Haushaltsgegenstände, die neuerdings auch aus China kommen, nachdem Öl und Metalle zu knapp für die schnellebigen Produktzyklen geworden waren, die noch das letzte Jahrzehnt dominiert hatten.
Das spätsommerliche Wetter macht die gemeinsame Radtour ins Büro zu einem schönen Tagesbeginn. An der vor kurzem erst eingeweihten Fahrradstraße ins Zentrum lauert wieder eine Präventionseinheit für eine allgemeine Personenkontrolle, die in den letzten Monaten so häufig geworden sind. Gerade Radfahrer kommen besonders in den Fokus der Aufmerksamkeit, da sie schwer mit dem Raster der allgemeinen Überwachungssysteme zu erfassen sind. Weder die Kameras und personalisierten Fahrkarten in den öffentlichen Verkehrsmitteln noch die Straßenkameras und Innenstadt-Mautsysteme konnten den Aufenthaltsort eines Radfahrers feststellen, wenn er sein Telefon und seinen Fitneß-Tracker abgeschaltet hat.
Da die Öko-Extremisten im Rufe stehen, bevorzugt Fahrräder zu verwenden, hoffen die Präventionseinheiten, durch solche Kontrollen an den Hauptfahrradrouten gesuchte Verdächtige zu fassen. Zwar liefern auch die Daten der 3D-Gesichtserkennung der beweglichen Verkehrsleitsysteme hin und wieder Inputs für die automatische Fahndung, aber es ist längst allgemein bekannt, daß Sonnenbrillen und Mützen auch gegen die dreidimensionale Erfassung helfen.
Der Kontrollpunkt besteht aus einem über dem Radweg errichteten Portal, in das Kameras zur Gesichtserkennung und Lesesysteme für die Personalausweise und andere Identitätskarten eingebaut sind. Ausgelesen wird auch die elektronische Rahmennummer des Fahrrades, die für alle neu verkauften Räder seit drei Jahren verpflichtend ist. Allerdings werden so kaum Fahrraddiebe gefangen, die zerstören nämlich kurzerhand die Antenne des Rahmennummer-Chips so, daß es aussieht wie eine der häufig auftretenden zufälligen Beschädigungen.
Fünfzig Meter hinter dem Kontrollportal steht ein Greiftrupp der Präventionseinheit bereit, um Radfahrer abzufangen, bei denen die Datenbankabfragen nach den multiplen Scans und Identifikationen auffällig sind. Die Greiftrupps müssen, anders als der Name suggeriert, kaum mal jemanden wirklich ergreifen. Eine optische Signalanlage weist suspekte Radfahrer auf die individuelle Kontrolle hin. Schon wegen der gefürchteten Taser, die zu unangenehmen Stürzen führen können, halten die Leute freiwillig an. Die Taser – eine hochfrequente Elektrowaffe – waren aus Amerika nach Europa importiert worden, nachdem sie dort bereits über zehn Jahre im Einsatz waren, wobei es immer wieder auch Todesfälle gegeben hatte.
Robert und Maria rollen fast zeitgleich durch das Kontrollportal. Ihre Räder haben elektronische Rahmennummern, sie sind natürlich ganz legal im Geschäft erworben. Also sind sie nicht zur Fahndung ausgeschrieben, kein Anlaß zur Sorge. Auf dem Terminal im gepanzerten Kleinbus der Präventionseinheit erscheint – für sie von außen nicht sichtbar – ein blauer Punkt neben ihren Datensätzen, das Kennzeichen für eine Registrierungsvormerkung. Das optische Stopzeichen leuchtet aber nicht für sie.
Wann immer sie durch eine polizeiliche Kontrolle kommen oder ihre Gesichter durch eine staatliche Kamera erfaßt und erkannt werden, wird dies vermerkt. Sie sind keines Verbrechens verdächtig und haben sich auch nichts zuschulden kommen lassen, es gibt jedoch offenbar irgendeine Behörde, die gern immer informiert werden möchte, wenn sie in Kontakt mit der Staatsmacht kommen. Jules Veith hat über seine Exkollegen beim staatlichen Büro für Wirtschaftssicherheit die Registrierungsvormerkung arrangiert, als offizielle Begründung dient die
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