Die Datenfresser
Mitarbeiter.«
Veith und Maria arbeiten danach gründlich. Kein Fitzelchen der CleanSteak-Daten bleibt auf den Rechnern der Kanzlei zurück. Das System der Kanzlei ist darauf ausgelegt, mit Daten verschiedener Kunden strikt getrennt zu arbeiten, auch die Sicherheitskopien sind separiert. Alle Rechercheergebnisse und Berichte kopiert Veith auf einen Speicherstick.
»Was passiert jetzt eigentlich weiter?« fragt Maria Veith, als er sich schon zum Gehen wendet. »Das entscheidet der Kunde. Wir werden ihm vermutlich raten, den Deal fallenzulassen, aber ich habe keine Ahnung, ob er unserem Rat folgt.« An der Tür dreht er sich noch mal um: »Und ich werde wohl erst mal eine Weile vegetarisch essen. Auf Wiedersehen.«
Wenige Tage später weckt Robert das morgendliche Nachrichtenprogramm mit der Meldung, daß Ziba aus nicht näher erläuterten Gründen die allgemein als sicher geltende Übernahme von CleanSteak abgeblasen hat. Die Aktienanalysten sind verwirrt, Zibas Einstieg in den Kunstfleischmarkt war eigentlich als überfällig betrachtet worden. Maria traut sich nicht, über die Firmennamen hinausgehende Suchworte für ihre Nachrichtenfilter zu konfigurieren, ihr ist sehr wohl bewußt, daß Veith wie ein Schießhund auf ihr Verhalten achten wird und alle ihre digitalen Lebensäußerungen überwacht. Am Abend lockt sie Robert ins Schwimmbad, hinter den Wasserfall am Sprudelbecken, wo ihnen garantiert niemand zuhören kann. Sie müssen irgend etwas tun, das schlechte Gewissen ob der mit jedem Tag weiter um sich greifenden schleichenden Infektion nagt an ihnen.
Ausweg
Robert hat eine Idee. Ein entfernter Bekannter, Martin, mit dem ihn keine nennenswerten Online-Spuren verbinden, ein ehemaliger
Journalist, der sich jetzt als PR -Berater verdingt, reist regelmäßig nach Island. Das Land hat sich nach der zweiten Finanzkrise darauf verlegt, ein sicherer Hafen für Blogs, Zeitungen und Medien zu werden, die in ihrer Heimat wegen der strengen Antiterror- und Anti-Beleidigungsgesetze und den Urheberrechtsreformen keine ernsthaft investigativen Storys mehr publizieren können.
Anonym zu publizieren ist durch die allgemeine Registrierungspflicht für Computer und Telefone praktisch unmöglich geworden. Martin in seiner Stammkneipe unangemeldet abzupassen kostet Robert drei Abende. Er läßt seine elektronischen Geräte und Identitäten bei Maria, um keine verdächtigen Spuren zu hinterlassen. Für jemand, der seine Datenschatten beobachtet, sieht es aus, als würde er sich mit seiner Freundin zu Hause verkrochen haben. Dann fährt er mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze mit seinem alten Fahrrad, das noch keine elektronische Rahmennummer hat, zu der etwas vergammelten Kaschemme. Am Ende geht sein Plan auf, am dritten Abend kommt Martin kurz nach neun durch die Tür und ist durchaus erfreut, Robert »zufällig« zu treffen. Beim Bier erzählt ihm Robert eine wilde Geschichte, wie er angeblich an das Memo von CleanSteak gekommen sein soll. Martins Gesicht ist anzusehen, daß er ihm kein Wort glaubt. Die Speicherkarte mit dem mittlerweile wieder in Text umgewandelten Schreiben nimmt er trotzdem mit, um sie in Island an Felix von Lohenstein zu übergeben, der dort ein oft zynisches, aber gern gelesenes Skandalblog betreibt, das gelegentlich auch unterdrückte Nachrichten publiziert.
Von Lohensteins Blogbeitrag wenige Tage später wird außerhalb der Öko-Szene kaum wahrgenommen. Der Blogger hat das Memo nicht im Original publiziert, um seine Quelle zu schützen. Die auszugsweisen Zitate sind zwar vielsagend genug, die Wirkung bleibt jedoch auf eine gewisse Szene beschränkt. Das ändert sich erst, als eines Montagmorgens die Firmenzentrale von CleanSteak vollständig von einer extrem schnellwachsenden genmanipulierten Rankpflanze überwuchert ist, die sich nur mit brachialem, großflächigem Maschineneinsatz wieder entfernen läßt. Die schnellsprießenden Gewächse sind seit etwa zwei Jahren Teil des Waffenarsenals der Öko-Extremisten.
Diese haben also zugeschlagen, und sie haben eine Kopie des Memos den Bekennerschreiben an internationale Nachrichtenagenturen beigelegt, die sie ganz altmodisch auf Papier per gestohlenen und umfunktionierten Postfliegern zugestellt haben. CleanSteak bestreitet zwar für ein paar Stunden die Echtheit des Memos und prangert die gewissenlosen Öko-Extremisten an, die vor nichts zurückschreckten. Am Abend tritt jedoch der Vorstand geschlossen zurück und wird beim Verlassen des Gebäudes
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