Die Datenfresser
beauftragte Anwaltskanzlei schon vor den Übernahmeverhandlungen gekümmert, die potentiellen Probleme waren bereits durch großzügige Zahlungen und Überlassungen von Aktienpaketen aus der Welt geschafft worden.
Veith und Maxson sind mit der Arbeit der Kanzlei zufrieden. Sie bemühen sich offenbar intensiv darum, die fehlenden Datenbestände von CleanSteak zu erhalten, zögern aber damit, wegen der vergleichsweise kleinen Vorkommnisse die ganz große Glocke zu läuten. Eine Warnung an den potentiellen Käufer Ziba auszusprechen hieße nämlich, daß dies ganz oben, am Verhandlungstisch der Vorstände, angesprochen werden müßte. Man werde Probleme auf der Arbeitsebene erledigen, lautet die Parole.
Frühherbst
Anfang September schließlich kommt Frank Maxson mit einem breiten Grinsen zum wöchentlichen Arbeitstreffen. Er hat einen Speicherstick in der Hand, der die Daten aus CleanSteaks internem Aufzeichnungssystem enthält, das die Firma vor ein paar Jahren in Vorbereitung eines später abgeblasenen Börsenganges installiert hatte. Daten aus diesen Systemen zu löschen ist nahezu unmöglich, sie sind daher eine Goldmine für jede Due dilligence. Bis zur Deadline Ende September wird es noch mal ein ordentliches Stück Arbeit, um festzustellen, wo die Differenzen zwischen den Datenbeständen liegen, und diese dann zu analysieren.
Die Nachrichten sind voll mit Meldungen zum zwanzigsten Jahrestag des 11. September. Die Unterschiedlichkeit von Roberts Freundeskreisen spiegelt sich in der automatischen Nachrichtenauswahl, die nicht nur von seinen eigenen Interessen, sondern auch von denen seiner Freunde gesteuert wird. Das Spektrum reicht von den üblichen staatstragend-offiziellen Meldungen, die vor der immer weiter steigenden Extremismus- und Terrorgefahr warnen und mehr Sicherheitsmaßnahmen und vor allem Wachsamkeit anmahnen, über melancholisch-wütende Beiträge, die nachdrücklich die Frage stellen, ob der ganze Sicherheitszirkus überhaupt noch gerechtfertigt ist, bis zu denen, die auf die in den letzten zwei Jahren vermehrt aufgetauchten Dokumente, Aufnahmen und Autobiographien von damals Verantwortlichen hinweisen, aus denen hervorgeht, wie aus 9/11 politisches Kapital geschlagen wurde und wer daran wie verdient hatte.
Robert selbst neigt der Ansicht zu, daß die Terrorgefahr grundsätzlich gern übertrieben wird, um den Sicherheitsbehörden die Techniken an die Hand zu geben, die sie zuerst teuer einkaufen müssen und die dann zur Unterdrückung des allgemeinen, manchmal auch militant werdenden Unmuts gerade unter der Jugend und den altersarmen Schichten verwendet werden. Es ist einfacher, ein neues Gesetz über den vereinfachten Zugriff der Polizei auf alle Daten zu einer Person mit der Abwehr von Terror, Extremismus oder illegalen Immigranten zu begründen, als die Wahrheit zu sagen, daß nämlich die weitaus überwiegende Anzahl der Zugriffe gegen wütende Youngster, Drogenkonsumenten und verarmte Rentner erfolgt. Speziell nach der umstrittenen Verabschiedung des Bildungskosten-Rückzahlungsgesetzes, das de facto die Auswanderung aus der EU beschränkt, solange man seine Ausbildungskosten nicht abbezahlt hat, und des vierten Gesundheitskostendämpfungsgesetzes gibt es immer wieder vereinzelte Hinweise auf sich organisierende Untergrund-Widerstandsgruppen, vor allem im Netz. Dazu kommen die Öko-Extremisten, deren Handeln intensiv beobachtet wird. Angesichts der drückenden Datenübermacht der Sicherheitsbehörden bleibt es jedoch offenbar bei isolierten Aktionen, hier und da auch mal gegen Computer und Datennetze des Staates.
Robert hat sich auch nach Monaten noch nicht an das Leben unter dem Vergrößerungsglas der Datenfreigabe- und Transparenzerklärung gewöhnt, die alle Mitglieder des Teams hatten unterzeichnen müssen. Sie wissen, daß Jules Veith ihnen ständig über die virtuelle Schulter schaut, jede ihrer digitalen Lebensäußerungen verfolgt und mit algorithmischer Unterstützung auf Anzeichen von Verrat oder Erpreßbarkeit untersucht.
Noch immer erwischt er sich dabei, wie er besonders die öffentlichen Kameras über den Straßen, aber auch in den Schluchten der Innenstadt als unangenehm empfindet. Natürlich weiß er genug über die Technik, so daß ihm bekannt ist, daß kein Mensch mehr auf die aufgezeichneten Filme sieht, sondern die Daten an die beiden großen Bildanalysezentren der Stadt gesendet werden. Er hatte letztes Jahr eine der Herstellerfirmen im Auftrag seiner Kanzlei
Weitere Kostenlose Bücher