Die Delfine von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
Seepocken …«
»Ssskylla hat gern Besucher, vor allem wenn sie Geschenke bringen!«, zischte die Seeschlange. Dabei öffnete sie ihr Maul, und Spy kam frei. Doch bevor sich der Fisch in Sicherheit bringen konnte, schnellte eine Tatze hervor und drückte ihn zu Boden. Dann wandte sich die Seeschlange an Sheila und streckte gierig ihren Kopf vor.
»Du hast auch ssso einen schönen Sss-stein wie der andere Delfin«, säuselte das Ungeheuer und schnupperte an Sheilas Amulett. Sheila wurde steif vor Angst. »Ssskylla liebt Sss-steine sssehr …«
Einen Zauberspruch, dachte Sheila verzweifelt. Mir muss unbedingt etwas einfallen, sonst sind wir verloren.
Aber ihr Gehirn war wie leer gefegt, solange sie in die goldenen Augen starrte.
»Du Amulett … aus Urgestein,
wild und rein … schütze mich …«
Spy jammerte, eingezwängt zwischen Tatze und Meeresboden.
»Lass mich los, bitte, bitte!«
Die Schlange wandte sich wieder Spy zu. Sie bog ihren langen Hals und schnupperte an seinem Leib. Ihre Augen begannen, gierig zu funkeln.
»Du riechst gut! In deinem Bauch sssind Zzzaubersteine! Ssskylla sssammelt Sss-steine! Sssoll Ssskylla einen Schlitz in dich machen?«
»Nein, nein«, wimmerte Spy. »Tu mir nichts! Wenn du willst, spuck ich die Steine aus, aber bitte, bitte, tu mir nichts!«
»Aber Ssskylla hat Hunger, und du sssiehst lecker aus …«
»Neinneinneinnein!«
»Sssehr lecker!« Die Schlange öffnete ihr Maul, und Sheila sah zwei lange Giftzähne aufblitzen.
Gleich würde Skylla zustoßen!
»Nein!«, schrie Sheila, schoss vor und rammte ihr den Kopf in den Hals.
Skylla schwankte, Schlamm wirbelte vom Meeresboden auf, und Spy konnte sich befreien. Gleichzeitig spritzte aber eine Wolke grünes Gift ins Wasser. Sheila spürte, wie ihre Augen brannten. Schreckliche Bilder ergriffen wieder von ihr Besitz, viel deutlicher als vorher. Sie sah den Drachen aus dem Tiefseevulkan, der seine Klauen nach ihr ausstreckte, Blitze schossen aus den Krallen hervor. Neben dem Drachen öffnete sich ein neuer Feuerschlund wie der Eingang zur Unterwelt.
Es sind nur Bilder in meinem Kopf, nichts als Bilder …
Ich brauche den Zauberspruch, dachte Sheila verzweifelt. Er muss mir einfallen, er muss einfach!
Sie fühlte Skyllas Tatzen auf ihrem Leib. Gleich würde die Schlange mit ihren Giftzähnen zubeißen.
Den Spruch, den Spruch!
»Auch in den Sieben Meeren zählt
die Kraftmagie der Anderswelt.
Du Amulett aus Urgestein,
mach schnell das Monster klitzeklein!
Bewahr den Träger vor dem Tod,
verschaff ihm Heil und keine Not!«
Ein stechender Schmerz durchzuckte Sheila, als die Zähne der Schlange ihre Haut durchbohrten. Sie fühlte, wie das Gift in ihren Körper rann, eine eiskalte, tödliche Flüssigkeit. In wenigen Minuten würde sie Sheila völlig lähmen …
»Hilf mir, Spy«, presste sie noch hervor, bevor ihr schwarz vor Augen wurde. »Hol Mario!«
Mario kämpfte noch immer gegen die Bilder in seinem Kopf an. Er hatte das Gift der Seeschlange in die Augen bekommen. Fast sofort hatte die unheilvolle Wirkung eingesetzt und in seinem Gehirn grässliche Fantasien erzeugt.
Er stand vor dem gläsernen Sarg und schaute hilflos auf seine Mutter herunter. Er war zu spät gekommen.
Alissa lag reglos da. Sie sah klein und zusammengeschrumpft aus. Die Augen waren eingesunken und lagen in tiefen Höhlen. Strähniges weißes Haar bedeckte ihre Schultern. Die runzelige Haut war dünn wie Pergament. Dünn und spitz ragte die Nase aus ihrem Gesicht hervor.
Zu spät. Sie war tot.
»Mama! Nein!«
Verzweifelt beugte er sich zu ihr herab.
Halt! Rief da nicht jemand nach ihm? Das war doch Sheilas Stimme!
»Mario? Ist alles in Ordnung?«
»Nichts ist in Ordnung!«, antwortete er leise.
Er kam wieder zu sich. Seine Augen brannten noch immer, aber er konnte erkennen, dass er sich nicht in einem Wal befand, sondern in einem Kelpwald. Ein Sarg war auch nirgends zu sehen. Waren es etwa nur Fantasiebilder gewesen?
Langsam kehrte sein Wahrnehmungsvermögen zurück. Er hörte Geräusche in der Nähe – ein Kampf? Wimmerte da nicht jemand?
Plötzlich war Spy neben ihm. Der Fisch war ganz aufgeregt und zerrte ungeduldig an Marios Brustflosse.
»Komm schnell! Sheila … ich glaube, sie stirbt!«
Marios Denken funktionierte noch langsam. Sheila? Warum sollte Sheila sterben? Es war doch Alissa, die im Sarg gelegen hatte …
»Komm, Mario«, bettelte Spy. »Sheila hat mit der Schlange gekämpft, und sie ist gebissen
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