Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Trotzdem sah Philippe bei diesen Worten betroffen aus, unbehaglich, Florence verbarrikadierte sich innerlich wieder und Marie glitt zurück in eine Art Unsichtbarkeit.
Da hat Renaud eine hü bsche Arbeit vor sich, sagte sich Lene und freute sich, dass sie diesmal eher Assistentin war und nicht Allein-Verantwortliche.
Kapitel 3
Renaud wurde langsam ungeduldig. Der Schlafmangel machte sich bemerkbar. Seine Kollegin Baudou sah ihn aufmerksam an.
» Ich hole mir noch einen Kaffee. Für dich auch einen?«
Er nickte. Nahm den Becher dankend entgegen. So ein Fall, der eine Ausländ erin betraf, brachte immer Ärger mit sich. Aber hier schien ja das Schicksal etwas mit ihm zu sein. Vorhin im Gespräch mit dem deutschen Polizeidirektor war er dann doch erleichtert, mit dieser Lene Becker eine Deutsch sprechende Kollegin zugeteilt bekommen zu haben. Ob es ihr etwas ausmachte den Urlaub zu unterbrechen? Eigentlich eine ganz schöne Zumutung von ihm.
A ber noch aus einem anderen Grund heraus war er froh, dass sie mit ihm arbeiten würde. Die Leute im village naturiste waren der Polizei gegenüber immer etwas zugeknöpft. Ihre Freiheitsliebe war legendär. Einer von ihnen gegenüber wären sie wahrscheinlich offener.
Was das wohl für eine Frau war? A llein im Urlaub in diesem Ort? Wollte sie Männer aufreißen? Aber so sah sie eigentlich nicht aus, korrigierte er sich. Ihr offenes Gesicht strahlte eine bestimmte Selbstsicherheit aus, hatte absolut nichts Suchendes an sich. Sie war offensichtlich gewohnt, ihr Leben selbst zu gestalten und das zu erreichen, was sie wollte. Hellblaue Augen, die einem direkt begegneten, wie er in der Tagesdämmerung heute Morgen festgestellt hatte, ein offenes Gesicht, umrahmt von Wellen blonden Haares. Eine gute Figur, fügte der Mann in ihm noch hinzu. Nicht so zierlich wie die Südfranzösinnen, aber alles an ihr war harmonisch. Genau, das war das richtige Wort.
Er schaute hinüber zu seiner Kollegin. Frauen hatten es in diesem Beruf nicht leicht. Sicher war das bei der deutschen Polizei genauso. Wenn er Malines Baudous Leben ansah! Maline hatte zwei Kinder und seit einem Jahr war sie geschieden. Alleinerziehend. Wie bei vielen ehemaligen Paaren, war auf ihren Ex wenig Verlass. Für eine Ermittlerin bedeutete das ein Bravourstück an Organisation. Die Mordkommission war voller Überraschungen, besonders was die Arbeitszeiten anging. Im Gegensatz zu den oft maulenden Kollegen, die keinerlei Verständnis für ihren Spagat zwischen Kindern und Arbeit aufbrachten, stand er hinter seiner Kollegin, auch wenn sie manchmal früher nach Hause musste als er.
Wenn er doch endlich den Anruf bekäme! Der Procureur de la Republique ließ sich mal wieder Zeit. Hatte er den Richter jetzt schon erreicht? Da – endlich. Er griff so schnell nach dem Hörer, dass er fast die Ladeschale umriss. Erleichtert vernahm er, dass die information ouverte war. Das hieß, dass er jetzt in diesem Fall die Autorisation des Richters bekommen hatte, an dessen Stelle die Untersuchung zu leiten. In seiner Position als officier de police judicaire. Er hatte damit eine große Entscheidungsfreiheit. Das französische Polizeisystem war kompliziert, aber effizient. Er als ermittelnder Beamter hatte mit diesem Papier jetzt alle Kompetenzen um zu tun, was er für richtig hielt. Keine Anfragen mehr nach oben.
Sofort bat er Maline, den Rest der Brigade zusammenzurufen. Inzwischen telefonierte er mit der Rechtsmedizin.
» Tut mir leid, aber vor morgen früh komme ich nicht zu der Obduktion«, entschuldigte sich George Lapin und war sich der Enttäuschung seines Freundes bewusst. Aber er hatte für diesen Tag schon zwei Leichen. Auch da waren die Ergebnisse dringend. Renaud wollte protestieren, wusste aber, dass es sinnlos war.
» Hast du sie wenigstens schon mal angeschaut? Ich meine, steht zum Beispiel die Vergewaltigung für dich fest? Das muss ich doch bei meinen Ermittlungen berücksichtigen!«
» Doch, von der Vergewaltigung kannst du ausgehen. Wir haben auch Sperma gefunden. Aber alles andere später.«
» Dann hoffen wir, dass wenigstens die Eltern heute Abend kommen und sie identifizieren. Kannst du dann gleich morgen früh anfangen? Wann soll ich da sein?«
» Komm um neun. Also dann vielleicht bis heute Abend. Du sagst noch Bescheid, wann die Eltern kommen, ja?«
Renaud dachte an das, was der deu tsche Polizeidirektor ihm mitgeteilt hatte.
» Sie kommen wohl mit dem Abendflieger aus Deutschland, um halb acht
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