Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
etwa. Madame Becker , la commissaire Allemande , holt sie ab und kommt dann mit ihnen rüber. Ich warte bei dir.«
George Lapin wusste, dass sein Freund die Begegnung mit den Eltern von Mordopfern am meisten hasste, sie immer so kurz wie möglich hielt. Es gab Gefühle, gegen die man sich nie abschirmen konnte. Man konnte es nicht lernen, den Schmerz anderer nicht wahrzunehmen. Anschließend rief Renaud noch bei der Kriminaltechnik an. Claude musste ihn jedoch ebenfalls vertrösten.
» Jede Menge Fingerabdrücke. Versuche möglichst alle Prints der Personen zum Abgleich zu bekommen, die mit dem Opfer zu tun hatten. An dem Häkeldings, mit dem sie erdrosselt worden ist, hoffen wir auf Schweißspuren und Hautpartikel. Aber das dauert. Dann könnten wir die DNS desjenigen, der sie erwürgt hat mit der DNS des Spermas des Vergewaltigers vergleichen. Damit hätten wir dann hoffentlich schon mal den Beweis, dass es sich um eine Person handelt. Falls der Täter keine Handschuhe getragen hat. Wir werden sehen. Schon einen Verdächtigen?«
» Noch keine Spur. Der Nachbar, der sie gefunden hat, war es sicher nicht. Nachher kommen die Freunde. Mal sehen.«
» Wolltest du sie nicht im v illage befragen? Wär doch mal was anderes, so unter lauter Nackten, oder? Ha ha.«
Renaud runzelte die Stirn.
» Sei nicht pubertär. Ich war schon als junger Polizist dort zur Aufsicht. Mindestens neunzig Prozent der Leute sind sehr nett. Und das Nacktsein findest du nach spätestens einer Viertelstunde völlig normal. Lass dich doch mal dorthin versetzen, wenn du es nicht glaubst.«
» Nein, da wäre meine Frau sauer. Übrigens, wir haben noch immer Leute dort. Ich bin auch erst um neun heute Morgen zurückgekommen. Und habe mich von keiner Nackten stören lassen. Du hast schon Recht«, schloss er versöhnlich.
Renaud überlegte , wie er weiter vorgehen wollte. Wo war das Umfeld der Toten? Wer hätte ein Motiv? Die Nachbarn mussten befragt werden. Zumindest schon einmal die Französisch sprechenden. Madame Becker war mit den Freunden des Opfers beschäftigt und würde sie gleich hierher bringen. Der Restaurantbesitzer, bei dem das Mädchen Eis verkauft hatte, war auch noch wichtig.
Er machte eine Liste der Aufgaben, die er gleich unter seinen Leuten verteilen würde.
Kapitel 4
N achdenklich betrat Lene hinter den vier jungen Leuten das Büro des französischen Kommissars. Dies Quartett schien ihr seltsam zusammengewürfelt. Die beiden Mädchen so konträr und die beiden jungen Männer ebenfalls – auf eine andere Art. Während Philippe sehr präsent wirkte, von einer freundlichen Offenheit, und eine verlässliche Männlichkeit ausstrahlte, war Jean-Pierre jemand, der erst einmal entdeckt werden musste. Ein klares, intelligentes Gesicht, glattes dunkles Haar, im Nacken zum Pferdeschwanz gebunden, hellbraune Augen. Er besaß etwas Geheimnisvolles, Feinnerviges. Eine Blaupause von etwas, das verborgen war. Insgesamt sehr viel feingliedriger als Philippe, der mit seiner Vitalität ins Leben zu springen schien.
Renaud erwartete sie mit seinem Lieutenant . Wie hieß sie noch? Ach ja, Maline Baudou. Wie seltsam, dass die Frauen in der französischen Polizei nicht nur den männlichen Titel hatten, sondern von ihnen auch noch in der männlichen Form gesprochen wurde. Ungewohnt. Der Lieutenant.
Der Kommissar hatte sich von seinem Stuhl erhoben und kam ihrer kleinen Gruppe entgegen. Zuerst begrüßte er sie herzlich und bedankte sich für die Zusammenarbeit, die ihnen beiden hoffentlich Freude machen würde. Dabei strahlte er sie an.
Lene flog in dem Moment für einen kurzen Augenblick durch die Zeit, sah sich in das al tmodische Zimmer in dem ehrwürdigen Gebäude der San Francisco Police eintreten – und Mike Fuller sie begrüßen. Ein heftiges Gefühl von Sehnsucht pulste kurz auf, wie ein Schmetterlingsflügelschlag von der anderen Seite der Welt. Verursachte das Chaos gleich hier in ihr. Eine neue Auslegung der Chaostheorie? amüsierte sich die ehemalige Mathematikstudentin in ihr.
Hier jedoch war alles hell, alles neu. Das Gebäude erst zwei Jahre alt, Symbol für die ständig wachsende Wohlh abenheit der Stadt.
Nur der Kaffeebecher, den gab es auch hier. Keinen mit S noopy wie bei Mike, aber einen sehr französischen, alten, etwas angeschlagenen, gelben Keramikbecher.
Die vier jungen Leute hatten inzwischen Platz genommen und der Kommissar unterrichtete sie über die nüchternen Fakten des Auffindens von Brigitte Melzer.
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