Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Licht des mittäglichen Toulouse trat, atmete sie tief durch.
» Das kann doch nicht wahr sein«, murmelte Luc. „Wir können doch nicht gegen den Bischof ermitteln. Um Himmels Willen«, und dabei schien er Hilfe suchend nach oben zu blicken, „in was bin ich da nur hinein geraten? Ich bin nur froh, dass ich Père Jean Baptiste noch nach seinem Alibi gefragt habe. Das hat schon Mut gekostet. Aber er hat es dann doch ganz gut weg gesteckt nach dem ersten Erschrecken. Der Mann hat wirklich Haltung. Beeindruckend. Gott sei Dank war er an dem Abend im Krankenhaus Saint Joseph am Bett seines sterbenden Mitbruders. Das lässt sich leicht überprüfen.“ Wütend setzte er hinzu: „Und das werden wir tun. Bis auf die Minute. Wenn er nur nicht noch andere hineingezogen hat. Jetzt traue ich ihm alles zu.«
Lene konnte seinen Zorn verstehen. Das war das Letzte , was sie jetzt noch brauchen konnten.
» Wie wäre es, wenn wir erst einmal Essen gehen? Und uns überlegen, ob wir noch weitere Fragen an ihn haben?«
» Du hast Recht. Jetzt sind wir schon einmal hier. Da sollten wir uns in Ruhe noch ein paar Fragen überlegen, die sich aus dieser veränderten Sachlage ergeben. Und ich brauche jetzt auch erst mal eine Stärkung.«
Kapitel 16
» Ein schöner Mann, dieser Priester. Findest du nicht auch?«, fragte Renaud. Er saß vor seinem Weinglas und gab sich ganz der Vorfreude auf sein Essen hin, das er mit viel Sorgfalt ausgesucht hatte.
» Doch, sehr. Einer, der sicher Liebe anzieht. Begehren. Meinst du nicht auch?« Lene zögerte. Strich sich in der für sie typischen Geste ihre blonde Haarlocke hinter das rechte Ohr. »Ich meine, er könnte doch die große Liebe von Jean-Pierre gewesen sein, die Ursache für seinen Abbruch des Studiums. Sein Dozent war er zumindest, wie wir wissen. Und hast du seine Reaktion gesehen? Deine Frage danach hat ihn ziemlich verwirrt.«
Renaud stimmte ihr zu. Er hatte es ähnlich beobachtet.
» Weißt du, das würde Jean-Pierre noch zusätzlich belasten, wenn er um die Rangfolge ›erst der Bischof, dann der Freund‹ wüsste. Wenn man liebt, vertraut man doch doppelt, dass der andere ein solches Geheimnis bewahren kann«, fuhr Lene fort. »Und dann beschäftigt mich noch eins. Was wird aus der Gürtelspange? Können wir sie jetzt noch unter den Tisch fallen lassen, wenn der Erzbischof davon weiß? Und Père Jean Baptiste sie bei uns gesehen hat? Hast du sein Zögern gemerkt, als er sie mir wieder anvertraute ? Als ob das Stück zu kostbar wäre für eine Frau, noch dazu eine Ausländerin.«
Luc lachte.
»Jetzt übertreibst du aber. Ich glaube, der Kirchenmann wollte es einfach nicht mehr rausrücken. Das ist die simple Wahrheit. Aber da verrechnet er sich. Dann ist die Spange eben eines Tages weg. Verschwunden. Die Kirche bekommt sie nicht, dafür werde ich sorgen.«
Luc hielt kurz inne. Zornesausbruch eines Nachkommen der kämpferischen Freigeister des Languedoc. Er trank einen Schluck, sah dann Lene sehr ernst an und kam endlich zu dem Punkt, der sie beide am meisten beschäftigte.
» Was bedeutet es, dass der Erzbischof von Toulouse davon weiß? Und – hat Père Jean Baptiste erzählt, auf welche Art Brigitte die Spange gefunden hat? Denn dann wollen sie sie doppelt dringend haben. Um darum keine Geschichte ranken zu lassen, die ihr Uraltthema berührt. Was für ein Desaster für unsere Ermittlung, dass der liebe Freund sein zugegebenermaßen schönes Maul nicht gehalten hat. Soll ich vielleicht zum Erzbischof marschieren und ihn nach seinem Alibi fragen? Oder seinen Adlatus? Oder seinen Weihbischof? Die Kirche hat ja wohl keine Auftragskiller mehr wie noch vor mehreren hundert Jahren.«
Luc machte jetzt wirklich ein verzweifeltes Gesicht und raufte sich die Haare.
»Das können wir vergessen, Lene. Entweder wir finden einen anderen Mörder oder gar keinen. In die Kirchenstruktur kannst weder du noch ich eindringen.«
Ihr Essen kam. Lene genoss ihre Quiche Lorraine mit Salat. Besonders die Walnussstückchen darauf liebte sie. Vor ihnen auf dem kleinen Platz war jetzt eine für eine große Stadt wie Toulouse ungewöhnliche Leere entstanden. Kaum ein Mensch zu sehen. Einmal zwei Touristinnen, die sich aber auch nach einem Platz zum Mittagessen umsahen. Rund um sie herum waren die Tische voll besetzt. Die Unterhaltungen hatten einen so fröhlichen Grundton, dass sie und Luc mit ihrem ernsten Thema völlig fehl am Platz schienen. Aber auch sie mieden ihr Hauptanliegen während
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