Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
festgestellt, dass ihr Körper viel kräftiger und sportlicher ist, als man bei dem Eindruck, den sie allgemein macht, vermuten würde. Und, das ist das Wichtigste, sie hat ein Motiv – Eifersucht auf Jean-Pierre.«
» Und hat Brigitte deshalb vergewaltigt. Das klingt logisch«, frozzelte Luc vergnügt.
» Nein, nun sei ernst. Die Vergewaltigung geht sicher auf das Konto von unserem Unbekannten. Oder denkst du es war Philippe? Oder Sebastian? Henri sicher nicht, und sonst fällt mir keiner ein außer IHM. Hat der ja damals am Strand wohl schon einmal versucht. Und dann hat er sie liegen gelassen, wie du es gestern beschrieben hast. Dann brauchte Marie noch etwas von Brigitte, vielleicht ein Aspirin gegen ihre Kopfschmerzen …«
» Hatte sie denn welche?« fragte Luc dazwischen.
» Nein, das heißt, ich vermute doch nur. Brain storming. Also sie kam zu Brigitte, fand sie bewusstlos vor, griff sich das Tuch … und den Rest haben wir schon besprochen.
» Weißt du, was mich auch irritiert, dass der Wohnwagen so wenig durchsucht aussah. Das wäre doch zu merken gewesen, wenn da jemand etwas gesucht hätte. Zum Beispiel eine Gürtelspange.«
» Er oder sie hatte aber Zeit und kann so sorgfältig gesucht haben, damit wir nicht merken, dass etwas gesucht wurde. Um uns gar nicht erst auf den Gedanken zu bringen, dass der Mord mit dem Schmuckstück zusammenhängt. Dann kann auch die Vergewaltigung als Mittel zum Zweck der Ablenkung eingesetzt worden sein. Und dann kämen sogar Philippe, eventuell sogar mit seiner Schwester in Frage, falls sie gelauscht und etwas mitbekommen hatten.«
» Da haben wir ja schon eine ganze Liste. Als erstes können wir wenigstens die DNA der Freunde untersuchen lassen. Bevor wir alle Männer im Village antreten lassen …«
Unmöglich , nicht nur durch das Eingreifen des Bürgermeisters. Unmöglich schon allein durch die Fluktuation. Wie sollte es nur weitergehen. Sie brauchten den Exlover.
Da tauchte sie auf der rec hten Seite auf. Carcassonne. Burg und Festung der Katharer. Das Tal beherrschend. Aus der Höhe der Autobahn glänzte sie in der Sonne.
» Wenn man daran denkt, wie viel es an Geheimnissen um Carcassonne gibt. Man sagt, dass sogar der Heilige Gral dort aufgehoben worden war. Oder die leiblichen Nachkommen von Jesus Christus und Magdalena dort versteckt worden waren. Oder dass Parzival von hier kommt. Legenden, die abenteuerlich verrückt wirken und dennoch immer wieder faszinieren. Die Menschen lieben eben Geheimnisse. Und etwas bleibt da immer. Man fühlt es, wenn man hier vorbei fährt. Ist vielleicht doch irgendetwas davon wahr, fragt man sich.«
Lene stockte. Soviel Persönliches wollte sie eigentlich gar nicht prei sgeben. Irritiert sah sie zu ihrem Kollegen hinüber. Aber Luc nickte.
» Mir geht es genauso. Viele hier beschäftigen sich mit den Katharern. Und dann kommt immer mal wieder ein Mann der Kirche und schreibt über die neuesten Forschungen über die wahren Christen , wie die Katharer sich nannten, und versucht den Mythos durch eine trockene, meist düstere Publikation zu zerstören. Aber die Menschen im Languedoc lassen sich nicht beirren. Die Zeit unter dem Grafen von Toulouse und mit den Katharern, die er nicht nur duldete, sondern unterstützte, war nun einmal die glücklichste Zeit in unserer Geschichte.«
Wie auf das Stichwort tauchte an der Fahrbahnseite eine Metallskulptur auf. Darunter stand: Sie fahren durch das Land der Katharer . Es wirkte wie eine Bestätigung ihrer Gedanken. Eine äußere und innere Reise durch deren Land, das es immer noch zu sein schien.
Am liebsten wäre Lene auch noch nach Montségur abgebogen, hätte die Ruine jetzt unter dem Wissen, das sie jetzt hatte, selbst erforschen mögen. Aber das musste warten. Zu weit.
» Wenn wir nur das Motiv wüssten! Ist es überhaupt die Gürtelspange? Ist es Eifersucht? Ein plötzlicher Wutanfall? Dagegen spricht allerdings die Zeitspanne zwischen Vergewaltigung und Erdrosseln. Oder doch zwei Personen? Wir müssen weiterhin in alle Richtungen ermitteln. Das finde ich ganz schön mühsam und unbefriedigend. Also auf, erst einmal der Pater.«
Lene gab Luc Recht. Es blieben nur die kleinen, mühs amen Schritte.
Als sie vor der groben, eher einer Festung gleichenden Backsteinmauer mit dem uralten Holzportal standen, das sich in eine Zeile wunderschöner alter Häuser einfügte, dachte Lene wieder, dass dahinter niemand eine Kirche vermuten würde. So war es ihr auch damals vor Jahren
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