Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Auto und den Hammer als energisches Klopfen an ihrer Tür. In dem Moment hatte Sophie schon geöffnet. Und war zurück in ihr Bett gesprungen. »Der Kommissar«, murmelte sie verschlafen.
Lene griff nach ihrem kurzen T-Shirtkleid, fuhr sich mit den Fingern durch ihr Haar und versuchte in der Realität anzukommen.
» Luc, was gibt es? Waren wir verabredet?«
Aber Renaud sah sie nur an.
» Marie Schuster ist ermordet worden. Vorn – sie liegt in den Dünen.«
Lene wurde e s kalt. Entsetzt starrte sie ihn an.
» Das gibt es doch nicht. Warte, ich bin gleich fertig.«
Sie nahm sich gerade noch Zeit für ein Zähneputzen an ihrem Kaltwasse rhahn, einmal mit Wasser durch ihr Gesicht, Dreivierteljeans - für das Waten durch den Sand und eventuell durch Wasser - und T-Shirt, dann folgte sie ihm. Im Auto erzählte er, dass sie vor fünfundzwanzig Minuten, um halb sieben einen Anruf bekommen hätten. Ein Frühaufsteher hatte die Leiche kurz vorher entdeckt, als er am Strand joggen wollte. Er hatte eine eigentlich verbotene Abkürzung über die Dünen genommen. Die meisten Jogger benutzten die Trampelpfade, um hinunter ans Wasser zu kommen.
» Ohne ihn hätte man sie vielleicht erst Stunden später gefunden.«
D a hätte sie gelegen, sagte er, in einer Mulde.
Lene stöhnte auf.
»Und sie wollte mich gestern unbedingt sprechen, als wir in Toulouse waren. Ich bin am Abend sicher noch dreimal bei ihr gewesen, einmal sogar nachts um eins. Sie war nicht da. Wir sind sogar zu der Pizzeria von Jean-Pierre zum Essen gefahren in der Hoffnung sie dort zu finden. Aber er sagte, sie sei mit den anderen beiden nach Montpellier. Wie schrecklich. Ich…«
» Schicksal«, sagte Luc trocken um sie aus ihrem Ansatz von persönlicher Schuldzuweisung herauszuholen. »Du weißt, es gibt kein Hätte in unserem Beruf. Die Dinge geschehen wie sie geschehen. Fakten. Basta.«
Der Fußweg zum Tatort schien Lene endlos. Sie nahm ihre rutschenden Flipflops, die sie auf dem Strand erheblich bremsten, überdeutlich wahr, riss sie vom Fuß und ging lieber mit nackten Füßen weiter. Das Strandgras im Morgenlicht, der kühle Sand. Das Meer unten in seiner spiegelglatten Ruhe war für sie der völlige Gegensatz zu ihrem Inneren.
E s war ein trauriger Anblick. Marie lag verdreht im Sand, der Hinterkopf war auf einem Stein aufgeschlagen, Blut war herausgetreten, hatte das Haar braun verklebt. Am Hals auffallende, blaue Druckstellen. Ihr kurzer Rock war nicht hochgeschoben, ihr blaues Top unversehrt. Einer ihrer Schuhe fehlte. Sommersandalen, blau, passend zum Shirt, konstatierte Lene, indem sie sich auf diese Nebensächlichkeit konzentrierte.
Renaud hockte sich neben die Leiche. George Lapin hatte gerade die erste Untersuchung beendet und erhob sich von seinen Knien.
» Und?« Renaud erinnerte jetzt an ein wütendes Raubtier. Er war außer sich über diesen neuerlichen Mord. Lene wusste, wie das war. Man würde dem ermittelnden Kommissar die Schuld zuschieben. Soweit zu deinen beruhigenden Worten über Schicksal vorhin. Jetzt geht es dir doch genauso wie mir, dachte sie.
George hob die Schultern hoch, ließ sie wieder fallen. »Sie ist grob geschätzt seit mindestens sieben bis neun Stunden tot. Länger wohl nicht. Heute Nacht war es ja nicht so kühl wie sonst oft. Das macht es jetzt noch schwierig, die Zeit genauer einzugrenzen. Ja, und sie ist auf den Stein aufgeschlagen, als sie noch lebte. Dann hat sie der Täter erwürgt. Wie es aussieht, spontan, mit bloßen Händen. Zumindest würde ich das aus dem ersten Eindruck heraus sagen. Genaueres …«
» … nach der Obduktion«, beendete Luc den Satz. »Kannst du schon sagen, ob sie vergewaltigt wurde?«
» Nein, aber es sieht nicht danach aus.«
» Hoffnung auf DNA Spuren?«
» Mal sehen. Ich will hier noch nicht an die Fingernägel ran, die Umgebung ist zu unsauber. Aber falls sie nach dem Sturz ohnmächtig war, hat sie sich nicht gewehrt.«
Luc wandte sich an die Sanitäter. »Lasst sie noch einen Moment so liegen, ich möchte mir in Ruhe ein Bild machen.«
Lene stand immer noch wie betäubt da. Was hatte sie falsch gemacht? Sie hatte die ganze Zeit gemerkt, dass Marie nicht ihr ganzes Wissen prei sgegeben hatte. Zu oft hatte sie gezögert, war unsicher gewesen. Hätte sie, Lene, mehr Druck ausüben müssen in den Gesprächen? Was, verdammt noch mal, war falsch gelaufen, gerade jetzt, wo Marie sich entschieden hatte zu reden? Denn deshalb hatte sie sie doch gestern gesucht. Warum
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