Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Karte heraus und reichte sie Renaud.
Er las sie gemeinsam mit Lene.
»Demnach war sie nur einmal bei Ihnen, am 12. Juli. Und war noch für den 19. Juli vorgemerkt. Welchen Eindruck hatten Sie von ihr?«
» Ich fand, dass sie ein bemerkenswertes Mädchen war, außergewöhnlich. Tiefgründig in allem, was sie sagte, und belesen. Sie wusste genau, was sie wollte im und vom Leben. Mich hat sie beeindruckt. Und sie kam mit ganz bestimmten Vorstellungen. Sie glaubte ein Leben bei den Katharern gelebt zu haben und wollte möglichst genau dieses Leben sehen. Ob das ginge.«
» Und, was haben Sie gesagt? Ist so etwas möglich?«
» Schon, auch wenn es schwieriger ist. Aber man kann direkt dorthin führen, manchmal geht es auch besser über Etappen. Man muss nur ungefähr die Zeit wissen. Und nach ihren Erzählungen musste es ein Leben während der Endphase der Katharer sein.«
Sie z ögerte kurz. »Wissen Sie davon?«
» Wir haben das Tonband der sogenannten Rückführung gehört«, erklärte Renaud kurz.
Lene wäre vor Nervosität am liebsten aus dem Sessel aufgesprungen, beherrschte sich aber und versuchte sich ihre Spannung nichts anmerken zu lassen.
» Hat sie Ihnen erzählt, warum gerade die Endphase? War sie gleich so offen? Erstaunlich.«
Mme Lefèv re sah sie mit einem Blick, der eine innere Ruhe widerspiegelte, an.
» Nein, ich fand das nicht. Sehen Sie, ich bin zur Verschwiegenheit verpflichtet. Mein eigentlicher Beruf ist Psychologin. Erst seit ich Rentnerin bin, mache ich Rückführungen. Vorher hätte ich das nicht gewagt. Es gibt da noch zu viele Vorurteile. Zumindest hier in Frankreich.« Sie erst zu Renaud, dann fragend zu Lene.
» Bei uns in Deutschland auch«, gab ihr Lene recht. Auch sie hatte sie doch bei sich gefühlt, vorhin, beim Hören des Bandes.
Lene hatte den Mitschnitt der Rückführung mitgebracht. Sie ließen die Aufnahme noch einmal ablaufen und bei der Stelle, als Louise die Gürtelspange erwähnte, drückte sie auf stop.
» Hat Brigitte etwas darüber gesagt? Hat sie erzählt, warum sie gerade an dieser Zeit der Katharer so sehr interessiert war?«
Sie sah Mme Lefèvre prüfend an. Aber die wirkte weiterhin völlig ruhig. Überlegte nur kurz.
» Was wissen Sie darüber?« fragte sie zurück. „Das ist eine Pattsituation. Keiner von uns dreien weiß, was oder wie viel er verraten kann und darf.«
Renaud rutschte auf dem Sofa, auf dem er saß nach vorn und bekam seinen intensiven Blick.
» Madame, es ist von immenser Wichtigkeit, dass Sie antworten. Auch wenn Sie sich an das Verschwiegenheitsversprechen gebunden fühlen, hier geht es um Mord. Und Brigitte ist tot, sie ist das Opfer. Sie können nichts falsch machen, außer Sie schweigen. Denn dann behindern Sie unsere Arbeit. Aber – um Sie zu beruhigen - wir wissen davon, ebenso wie ihre Eltern, die endlich erfahren wollen, wer ihre Tochter ermordet hat und warum jemand zu so einer Tat fähig gewesen ist. Und da wir schon einmal dabei sind, wo waren Sie in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli? Nachts, sagen wir zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens?«
Nun sah Lene doch Bestürzung im Gesicht der Psychologin. Damit hatte sie wohl nicht g erechnet. Sie räusperte sich und sagte dann tonlos:
» Das war der Nationalfeiertag. Ich war mit meiner Tochter und meinem Schwiegersohn zum Essen in dem kreolischen Lokal im Zentrum und das zog sich hin bis etwa halb zwölf. Wir sind noch etwas am Herault entlanggegangen, am Hafen, dann haben sie mich zu Hause abgesetzt. Etwa um Viertel nach zwölf, vielleicht halb eins. Dort bin ich gleich ins Bett.«
Luc sah kurz zu Lene. Genau die kritische Zeit. Aber ihre Tochter und ihr Schwiegersohn würden s icher das gleiche aussagen. Selbst wenn sie eine halbe Stunde früher zu Hause gewesen waren.
» Leben Sie allein?«
» Ja, wenn man von meiner Katze Sita absieht. Aber man muss schon begabt für Katzensprache sein um sie zu befragen«, setzte Mme Lefèvre etwas spöttisch hinzu. Sie wurde aber gleich wieder ernst.
» Entschuldigung, es ist nur das erste Mal in meinem Leben, dass ich nach meinem Alibi in einer Morduntersuchung gefragt werde. Ganz ernst nehmen kann ich das nicht. Das Erforschen meines Alibis. Wenn Sie mich kennen würden, wüssten Sie, wie absurd das ist.«
Luc nickte nur und stand auf.
»Das wäre es dann erst einmal.«
Und dann kam ganz nebenbei die Frage, auf die Lene schon die ganze Zeit gewartet hatte.
»Ach ja, zurück zu meiner Frage vorhin. Trotz aller
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