Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Gähe weitär.«
Ich bin achtzehn . Koche in einer großen Küche. Ich muss jetzt lernen, wie wichtig Nahrung ist und wie man sie richtig zubereitet. Nahrung ist Leben.
Sähr schön, Lo uise. Und jetzt gehe zu deine nächste Jahr, sagte die Stimme mit dem starkem französischen Akzent.
Ich bin neunzehn . Wir sitzen zu dritt zu den Füßen eines Heilers. Müssen alles über Pflanzen lernen. Wir sammeln sie morgens früh vor Sonnenaufgang. Das ist wichtig. Neben mir sitzt Gaelle, meine Freundin. Daneben Craig. Ich schaue oft zu ihm hinüber. Ich mag ihn.
Wieder die Aufforderung in der Zeit weiterzugehen.
Eine kurze Pause. Dann eine stolze Brigitte .
Ich bin zweiundzwanzig . Meine Ausbildung als Heilerin mit Pflanzen ist beendet. Mit mir arbeiten jetzt Craig und Gaelle. Craig und ich lieben uns, aber das dürfen wir nicht. So ist er mein bester Freund. Er und Gaelle. Wir stellen jetzt schon allein Medizin her und dürfen sogar Menschen behandeln, wenn sie mit Kräutern zu heilen sind. Wir können auch den Energiestrom leiten um die Heilung zu unterstützen.
» Das ist schön, Louise. Gehe weiter zu einem neuem Lébänabschnitt.«
Ich bin achtundzwanzig . Ich bekomme ein weißes Gewand angelegt und ein rotes Band um die Taille, wie einen breiten Gürtel. Das Band wird durch eine Gürtelspange gezogen, die Gürtelspange, die mich zusammen mit dem roten Band als Ärztin ausweist. Zwei Schlangen in einem Kreis. Sie ist schwer. Mein einziger Besitz seit heute.
Ich habe meine Ausbildung als Ärztin beendet. Ich bin zu einem maurischen Arzt, einem Nasriden, Hakim Ibn Saud gereist. Bei ihm habe ich gelernt. Bin dafür hinunter nach Granada gewandert. So schön dort. Und ich habe so viel gelernt. Deshalb kann ich sogar operieren. Wir haben viel geredet über unsere so unterschiedlichen Religionen und viel verstanden. Sie sind gar nicht so verschieden, die innere Wahrheit ist nur verschieden verpackt in den einzelnen Kulturen.
Jetzt hole ich hier Babys auf die Welt, ich richte und schiene gebrochene Glieder, ich schneide eitrige Wunden, für die unsere Medizin allein nicht reicht. Eine Frau hat sich ins Bein gehackt. Ich nähe die Wunde und mache eine Heilkräuterpackung.
» Gehe weiter«, sagt die Stimme mit ihrem französischen Akzent.
Und dann ist da wieder Brigitte. Niedergeschlagen. Hoffnungslose Trauri gkeit.
Ich bin vierundvierzig . Wir sind auf Montségur. Wir sind die Letzten. Mehr als zweihundert Perfecti. Sitzen zu zwölft um einen Tisch. Müssen den letzten Schritt tun. Craig ist tot. Gaelle ist tot. Beide sind auf den Feldern vor Béziers verbrannt worden. Der Geruch von verbranntem Fleisch! Tagelang hing er in der Luft. Warum war ich nicht bei ihnen? Seitdem ist meine Seele leer. Etwas ist tot in mir. Vor unserem obersten Perfectus stehen kleine Flaschen mit Gift. Ich habe es für uns bereitet. Die Lage ist aussichtslos, morgen oder heute Nacht werden unsere Feinde hier sein. Wir werden uns ihnen übergeben. Sicher werden sie uns foltern. Sie wollen von uns den heiligen Gral. Als ob man den einfach mit nach Hause nehmen könnte. Wie wenig sie wissen! Draußen im Burghof steht ein großes Fass mit Gift. Für die anderen. Wer wollte, durfte mit Jean, der den Schatz der Katharer an einen sicheren Ort, eine Höhle, bringt, über einen Geheimweg absteigen und versuchen zu überleben. Jeder auf der Burg kann frei entscheiden, was er will. Meine Gürtelspange fällt mir ein. Ich habe vergessen sie aus dem Versteck zu holen. Aber was macht das noch?
Es ist zu Ende. Die letzten Perfe cti. Jeder von uns nimmt sich eine kleine Flasche. So haben wir die Möglichkeit zur Entscheidung. Falls einer nicht lebend in den Flammen sterben will. Jesus wird uns erwarten.
Die Stimme erstarb.
Das Gerät wurde ausgeschaltet.
Lene sah zu Sophie, die auf ihrem Bett saß und ebenso atemlos gelauscht ha tte wie sie selbst. Verwirrt.
» Was ist das denn? Es klingt nach einer Rückführung in ein Leben zur Zeit der Katharer– zumindest stelle ich es mir so vor.« Sophie wirkte jetzt nachdenklich.
» Hilfe, das auch noch!«, stöhnte Lene und sah erst einmal nur die Konsequenzen dieser Entdeckung. »Jetzt ist nur wichtig, wer ist die französische Frau, zu der die Stimme gehört? Das ist für uns im Moment vorrangig. Lass uns später über alles sprechen. Ich bin von dem Inhalt auch fasziniert. Nur - ich muss sofort zu Jean-Pierre. Hoffentlich ist er noch da. Wenn einer etwas darüber wissen kann, dann er.«
In dem
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