Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
genauer zu beschre iben, sie deutlicher zu machen.
» Es ist bei ihr, als ob alles fließt. Sie lässt das Gespräch langsam wachsen, gibt einem Zeit sich zu öffnen. Und erst dann bespricht sie die Rückführungen. Hast du schon einmal von Professor Stevenson in den USA gehört, von seinen Rückführungen? Er hat anfangs seine Klienten hypnotisiert, aber das ist längst passé. Man hat jetzt herausgefunden, dass man über eine Art leichte Trance, die man durch ein Einschwingen auf die Alpha Ebene erreicht, die gleichen Resultate erzielt.«
Lene schaute verwirrt.
»Alpha Ebene? Was ist das?«
» Unser Tagesbewusstsein ist die sogenannte Beta Ebene, die Alpha Ebene ist eine allgemeine Verlangsamung der Funktionen aller inneren Organe in Richtung Theta-Rhythmus. Dabei verlangsamen sich – wie verstärkt in der Hypnose – die Gehirnströme, die Pulsfrequenz und der Grundumsatz. Alle inneren Organe arbeiten messbar langsamer. Wie in der Meditation – oder auch im autogenen Training, wenn dir das eher bekannt ist.«
» Ja, natürlich«, murmelte Lene fasziniert.
Jean-Pierre sah sie prüfend an. Ob sie sich wirklich auf seine Ausführungen einließ, schien er sich zu fragen und fuhr dann fort.
» Ja, also Stevenson erkannte, dass die Rückführungen auch in einer Art leichter Trance möglich waren.«
» Und sind die Ergebnisse je überprüfbar gewesen?«
» Ja, in vielen Fällen. Bei einer Testreihe von etwa tausend Probanden kam es zu erstaunlichen Ergebnissen, die bei Überprüfung mit wirklichen historischen Fakten übereinstimmten. Es lohnt sich zumindest, darüber nachzudenken.«
Genau das hatte Lene in dem Moment gedacht. Sie würde sich nach Abschluss des Falles endlich gründl icher damit befassen. Es musste doch auch Material über diesen Stevenson geben. Irgendwie leuchtet das schon ein, dachte sie. Mal sehen. Schublade für später.
» Aber jetzt ist erst einmal Madame Lefèvre für uns wichtig. Kann es sein, dass sie über den Fund von Brigitte gesprochen hat?«
» Eigentlich glaube ich das nicht. Die Sitzungen sind doch sehr persönlich und man setzt Verschwiegenheit voraus.«
Lene verabschiedete sich und rief Luc Renaud an . Er klang voller Schwung durchs Telefon.
» Ist das nicht toll mit dem Handy? Stell dir vor, Lene, die Technik sagt, sie bekommen das wahrscheinlich hin. Wir sollen nur etwas Geduld haben. Aber immerhin eine Hoffnung.«
Lene berichtete von ihrer ne uesten Entdeckung. Luc wollte gleich bei Mme Lefèvre vorbeifahren und sie befragen. Sie sah auf die Uhr. Zwanzig nach sechs. Sie konnte es noch schaffen vor der Fahrt nach Montpellier um Maries Mutter abzuholen.
» Kann ich mitkommen? Ich würde dann direkt zu ihrer Adresse fahren in die rue Gravotte. Ginge das?«
Luc stimmte erfreut zu. Er würde dort auf sie warten.
K apitel 23
Madame Lefèvre war ganz anders als Lene sie sich vorgestellt hatte. Keinerlei Kristallkugel - Image. Sie war eine gut aussehende Mittsechzigerin, eher jünger. Ihr dunkles Haar schimmerte in Lichtpunkten, die sicher ein guter Friseur gesetzt hatte. Ihre Augen erinnerten an die von Sarah in Amerika, graublau und freundlich. Eine angenehme Stimme. Als sie hörte, dass Lene eine deutsche Kommissarin war, begrüßte sie sie gleich in ihrem Deutsch mit dem charmanten Akzent, den Lene schon vom Tonband kannte. Und reagierte mit einem Kompliment für Lenes Französisch, obwohl die erst zwei kleine höfliche Sätze gesagt hatte.
» Kommen Sie herein. Es geht sicher um Brischiit? Natürlich möchte ich Ihnen helfen.«
Sie führte sie in ein lichtes und modern eingerichtetes Wohnzimmer. Eine Buddhastatue als Blickfang mit einer Schale mit roten Blüten in Wasser schwimmend davor. Darüber das Foto eines indischen Heiligen. Zumindest hatte Lene den Eindruck. Eine große dunkle Shiva Statue im weißen Bücherregal. Alles sehr klar und geschmackvoll, ein Raum zum Durchatmen.
» Schrecklich, was mit ihr passiert ist. Und nun noch das andere Mädchen. Sind es ganz sicher keine Sexualtaten? Nein? Aber wer hätte einen Grund zwei junge Frauen zu ermorden?«
Renaud lächelte entwaffnend.
» Madame, eigentlich sind wir hier die, die die Fragen stellen. Können wir uns darauf einigen?«
Madame errötete leicht und nickte nur.
» Also es geht um Brigittes Besuch bei Ihnen. War sie öfter hier? Und wann genau? Haben Sie eine Buchführung? «
» Natürlich schreibe ich meine Besucher auf. Warten Sie …« Sie suchte aus einem kleinen roten Karteikasten eine
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