Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Das weiß ich deshalb so genau, weil wir unseren Nachbarn Monsieur Charles Pinot, der rechts von uns wohnt, getroffen haben. Er kam gerade mit seinem Hund vom Gassigehen und fragte uns vor der Haustür nach der Uhrzeit. Die beiden Hunde haben noch kurz gespielt, während wir uns unterhielten. Wir waren also spätestens um Viertel vor eins in unserem Haus. Genügt das?«
Das genügte. Es war nur noch eine Frage offen.
»Ihre Mutter hat Ihnen von Brigittes Rückführung erzählt und der Gürtelspange. Haben Sie es danach jemandem erzählt, außer Ihrem Mann? Wo ist der überhaupt? Ich muss auch ihn befragen.«
Renaud lehnte sich z urück um dem Gespräch die Spannung zu nehmen und sie unbefangen erzählen zu lassen. Madame Horman stellte die übereinandergeschlagenen Beine nebeneinander und trank einen Schluck Wasser. Ein leichtes Ausstoßen ihres Atems zeigte, dass sie doch unter Anspannung stand.
» Mein Mann ist noch zur Arbeit. Er kommt erst gegen zehn. Aber ich weiß, dass wir es niemandem erzählt haben. Meine Mutter hat es uns erst an dem Abend beim Essen erzählt, also am 14., weil sie es für zu wichtig hielt um es am Telefon zu besprechen. Am nächsten Tag erfuhren wir von dem Mord. Da war uns bestimmt nicht mehr danach Brigittes Geheimnis auszuplaudern. Darüber habe ich mit meinem Mann noch gesprochen.«
Renaud sah sie bewusst freundlich und offen an.
»Da bin ich froh, es erleichtert mir schon wieder die Arbeit. Trotzdem«, er zögerte kurz, »ich muss Ihren Mann noch direkt befragen. Wo arbeitet er? Vielleicht kann ich dort noch vorbei.«
Sie nickte. »Es ist nur zwei Straßen weiter. Im Betrieb Rosier. Kennen Sie die Fabrik? Er ist Ingenieur dort und hat die Spätschicht heute. Einer der Ingenieure muss immer dabei sein.«
Renaud erhob sich.
»Das finde ich. Ich danke Ihnen, Mme Horman, Sie haben mir sehr geholfen. Guten Abend.«
Beim Hinausgehen hörte er, wie sich die Tür hinter ihm schloss. Hörte das Wollknäuel noch kurz bellen, zum Abschied. Welch eine Idylle. Das Licht hatte den Etang inzwischen mehr grafitgrau gefärbt, die Flamingos waren verschwunden.
Renaud wandte sich nach rechts und zögerte kurz. Eigentlich zu spät für eine Befragung. Aber … Der Zeitdruck war zu groß. Er würde es vers uchen.
Er klingelte an der Hau stür. Pinot stand trocken auf dem Türschild und das ganze Haus machte einen nüchternen Eindruck, bildete einen seltsamen Kontrast zu dem verspielten Zuhause nebenan. Er hörte ein Grummeln hinter der Tür, ein kurzes Bellen, Herr und Hund öffneten. Als erstes sah Renaud den großen Schäferhund, der ihn wachsam ansah. „Ruhig, Hector«, beschwichtigte Monsieur. Hoffentlich funktioniert das bei Hector, dachte Renaud.
Monsieur Pinot war ein freundlicher Mann an die sechzig, wachsame Augen, denen von Hector nicht u nähnlich, in einem Gesicht, das Interesse und Lebendigkeit ausstrahlte. »Monsieur?«
Renaud stellte sich vor und zeigte seinen Diens tausweis.
» Es ist eigentlich zu spät für eine Störung«, entschuldigte er sich. »Nur eine kurze Frage – ich ermittele in einem Mordfall und da kann deshalb nicht warten.«
M. Pinot nickte. »Fragen Sie. Ich bin sowieso noch lange wach, das macht mir also gar nichts. Nur – was für ein Mordfall?«
» Darauf möchte ich jetzt nicht eingehen. Aber – Sie kamen am 14. nachts doch von der petite promenade mit Hector.« Dieser stellte demonstrativ die Ohren auf, als er seinen Namen hörte. »Können Sie sich erinnern?«
» Ja, ich traf noch meine Nachbarn, les Hormans . Eine schöne Nacht. Endlich waren auch die Feuerwerke vorbei, sodass Hector und ich die Ruhe genossen haben.«
» Wissen Sie noch, wann das war?«
» So gegen halb eins. Wir gehen immer noch mal raus kurz nach Mitternacht. Wir mögen beide die Nacht.«
» Danke, das war’s schon. Bonne nuit , Monsieur Pinot.«
Ein wenig enttäuscht murmelte auch Pinot seine Gutenachtwünsche und er und Hector verschwanden wieder hinter der Tür, die sich schloss.
Die Begegnung mit M. Horman verlief genauso unspektakulär. Er, ein Mann Anfang vierzig, nicht sehr groß und der drahtige Typ, bestätigte alles, was seine Frau bereits erzählt hatte. Nur an die Uhrzeitangabe konnte er sich nicht mehr erinnern.
» Irgendwas nach Mitternacht und vor eins«, sagte er nur. „Ich muss ja morgens früh raus. Da mag ich nicht erst nach eins ins Bett kommen. Auch nicht am 14. Juli.«
Renaud bat Horman eindringlich, bis zur Aufklärung des Falles mit niemand
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