Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
anderem darüber zu sprechen. Er möge das auch seiner Frau sagen. Er machte ihm klar, dass es katastrophal für die Ermittlungen wäre, wenn da etwas zu den Medien durchsickern würde. Und es würde der Arbeit seiner Schwiegermutter sehr schaden.
Auf dem Weg zum Auto kickte er wütend eine Coladose weg. Verdammt, diese ewige Kleinarbeit, die zu nichts führte und doch sein musste – falls … Aber hier gab es kein falls , es war einfach nur Routine, die Zeit kostete und die in die Sinnlosigkeit führte. Beim Einsteigen schlug er mit der linken Hand aufs Lenkrad. Verdammt, was für ein blöder Job! Frustriert fuhr er Richtung Montpellier. Juana wartete sicher ungeduldig. Er versuchte nur noch an sie zu denken. Das half immer.
Kapitel 2 5
Lene ließ auf der Rückfahrt vom Hotel noch einmal die letzten zwei Stunden Revue passieren. Schluckte schwer an dem Schmerz der zweiten Mutter, die mit Marie allein gewesen war, nie mit einem Mann zusammengelebt hatte.
Sie sah sich in einer Art grausamen Déjà vu wieder im Terminal stehen. Wieder das frohe Sommer-Urlaubstreiben um sie herum und die traurige zierliche Frau dazwischen, in der sie sofort Maries Mutter erkannte. Sie war höchstens vierzig.
Die Rechtsmedizin in ihrem sterilen Gebäude. George Lapin und Maline hatten bereits gewartet. Der Schmerzensausbruch von Frau Schuster beim Anblick ihrer toten Tochter war schrecklich mitanzusehen gewesen.
Dann die Fahrt ins Hotel. Frau Schuster war erst sehr still, auf der Hälfte der Fahrt dann begann sie zu erzählen. Von ihrem Leben, von einem Discoabend als Achtzehnjährige, an dem sie zu viel getrunken hatte.
» Ich war keinen Alkohol gewohnt und meine Freundinnen haben mich ausgelacht. Also wurde ich leichtsinnig, wollte es ihnen beweisen. Schon nach zwei Gläsern war mir alles so egal, ich schwebte. Dann war da ein Mann.«
Die alte Geschichte. Kurze Zeit später merkte sie, dass sie schwanger war. Kannte weder den Namen noch den Wohnort des Vaters. So bekam sie Marie allein. Sie hatte ihr Kind mit Hilfe ihrer Mutter, die sie noch jahrelang mit Vorwürfen gequält hatte, groß gezogen. Dann, mit dreißig, war sie endlich zu Hause ausgezogen. Marie war damals elf und konnte nachmittags, während Frau Schuster arbeitete, schon allein bleiben.
» Sie war ein seltsames Mädchen. Sehr ernst, fast verschlossen. Schüchtern Fremden gegenüber. Und dann konnte sie wieder lachen, war oft richtig waghalsig aus einer Laune oder dem Augenblick heraus. Sie hat mich immer wieder überrascht. Jetzt dieser lange Aufenthalt in Frankreich zum Beispiel. Ich dachte, nach den elf Monaten als au-pair Mädchen kommt sie endlich nach Hause bis zum Anfang des Semesters. Aber sie war nur drei Tage in Hannover um sich an der Uni einzuschreiben, dann ist sie wieder zurückgefahren.«
Sie stockte. Ihre Stimme war bei den letzten Worten zittrig geworden, sie drückte ihr Taschentuch, das sie in der Hand zusammengekrümpelt hatte, e rneut an die Augen.
» Sie war mein ganzer Lebensinhalt. Das begriff ich, als ich sie dort auf dieser Bahre liegen sah. Ich weiß nicht, wie ich ohne Marie weiterleben soll.«
Lene legte eine Hand auf Frau Schusters Arm. Draußen war es inzwischen dunkel. Sie würden bald da sein.
» Und Sie wissen nicht, was Marie in der letzten Zeit beschäftigt hat? Vielleicht hat sie irgendetwas Ungewöhnliches gesagt oder wenigstens angedeutet? Jede Erinnerung würde uns helfen.«
Aber da war nichts außer dem leisen Weinen von Frau Schuster. Lene machte den Motor aus, zog die Handbremse an. Sie waren ang ekommen.
Marion wartete schon in der Halle und kam ihnen entgegen.
»Ich bin Marion, Brigittes Mutter«, stellte sie sich vor. Ruhig und souverän und voller Wärme.
» Gabriele Schuster. Aber alle sagen Gabi zu mir«, sagte die leise Stimme fast automatisch. Marion nahm sie in den Arm.
» Komm, Gabi, wir sehen jetzt erst einmal, dass du ein Zimmer bekommst. Und dann werden wir weitersehen.«
Sie nickte Lene über die Schulter zu und machte ihr ein Zeichen. Lene nickte und wandte sich dem Ausgang zu.
Jetzt war auch das vorbei. Sie war Marion dankbar und atmete hörbar aus, als die Lichter des village - Eingangs vor ihr auftauchten. Die Bewachung funktionierte noch. Die Ausfahrt war ebenso besetzt von Polizisten wie der Ausgang für Fußgänger. Starke Taschenlampen und Listen zum Eintragen halfen ihnen.
Da klingelte ihr Handy, oder ihr portable , wie die Franzosen sagten. Das Tragbare . Nun denn. Sie sah, dass
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