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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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auch nur den Verdacht geäußert hatte, dass er schwul sein könnte – doch andererseits waren die auch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um über Sven nachzudenken. Dille und Petra betrieben Ehe-Arbeit und gingen offenbar in Kinder-Massenfabrikation, und Piet war dermaßen eifersüchtig, dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht sah. Ehrlich: Piet war eifersüchtig auf Sven! Mann, was für ein guter Witz!
    Es wäre ein Leichtes gewesen, Piet auf seinen fundamentalen Irrtum aufmerksam zu machen. Und hätten Sven und Susann geahnt, was dieser Irrtum schon bald für eine Katastrophe auslösen würde, hätten sie es ganz sicher auch getan. So aber musste Susann ihrem Freund schwören, nichts zu verraten. Niemandem. Nicht mal Piet.
    »Aber es ist doch nichts Schlimmes«, hatte Susann, die es hasste, vor Piet Geheimnisse zu haben, argumentiert. »Keiner unserer Freunde ist doch so ein Kleingeist, der ein Problem damit hätte, dass du schwul bist. Ich meine …«, Susann musste lachen, »Piet würde dir vermutlich begeistert auf die Schulter klopfen und sich sogar bedanken!«
    Sven hatte den Kopf geschüttelt: »Ich kann nicht. Noch nicht.«
    Susann wusste, dass es mit Svens Mutter zusammenhing. Hätte die auf die unfreiwillige Enthüllung anders reagiert, würde Sven die ganze Sache wohl entspannter sehen. Doch so hatte er tief in sich das Gefühl eingegraben, dass er sich bei einem Outing nicht befreien würde, sondern ein schreckliches Geständnis abzuliefern hätte. Sven drohte, wie sein Vater zu werden. Ein Versteckspieler.
    »Und ich kann da nicht hingehen!«, hatte Sven gejammert und war damit zum eigentlichen Thema ihres Gespräches zurückgekehrt: » Schwulenkneipe  – sorry, das klingt gefährlich!«
    Susann zog skeptisch die Augenbrauen hoch.
    »Ich meine, was geht da ab?«, seufzte Sven. »Haufenweise behaarte, muskulöse Kerle in Leder, die zu YMCA tanzen?«
    Susann seufzte. »Muss ich einem Schwulen wirklich erklären, dass Schwule ganz normale Menschen sind?«
    »Du findest mich normal?«, fragte Sven in säuselnd tuntigem Tonfall und wedelte divenhaft mit den Armen.
    Susann lachte. »Ich sag dir was«, seufzte sie dann, »ich gehe da nächste Woche mal hin und erzähle dir dann, auf was du dich einzustellen hast!«
    »Oh ja, bitte!«. Sven freute sich aufrichtig. Susann lächelte ihn aufmunternd an. In Wirklichkeit war sie allerdings ziemlich nervös. Sie hatte schließlich auch keine Ahnung, wie es im Inneren eines Schwulenlokals aussah. Waren Frauen da überhaupt erlaubt beziehungsweise erwünscht? Doch sie war bereit, alles für Sven zu tun. Sie wusste, wie sehr er litt. Sie wusste, welch großen Schmerz er mit seinen Scherzen überspielte. Und sie wusste, dass Sven so nicht weiterleben konnte. Er musste reinen Tisch machen. Mit sich selbst und dem Rest der Welt.
    * * *
    Es sollte eine Überraschung sein. »Zwei Karten für Peter and the Test Tube Babies! «, trompetete ich begeistert und schwenkte die Tickets vor Susanns Nase.
    »Wann?«, fragte Susann – und klang nicht besonders begeistert.
    »Heute! In der Markthalle «, strahlte ich. Die Aussicht auf vier wild herumbrüllende Typen, die ihre Gitarren mehr schlecht als recht, aber dafür in enormer Lautstärke malträtierten, versetzte mich in ein Stimmungshoch. Doch das hielt nicht lange an: »Tut mir Leid, Schatz«, seufzte Susann und küsste mich auf die Stirn. »Ich kann heute nicht!«
    Ich war sichtlich enttäuscht: »Wieso denn nicht?«
    »Ich, äh  …«, stammelte Susann, »ich muss Lydia bei einem Referat helfen, das habe ich … äh , ihr schon letzte Woche versprochen.«
    Susann war die schlechteste Lügnerin der Welt.
    »Mmrgh!«, brummte ich. Ich überlegte, ob ich nachbohren sollte, die Wahrheit aus ihr herausquetschen. Aber eigentlich kannte ich die Wahrheit ja schon: Sie würde den Abend mit Sven verbringen. Wie so oft. Das Einzige, was ich nicht wusste, war: Was tat sie mit Sven an all diesen Abenden? Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die beiden Sex hatten. Aber andererseits: Manche Frauen standen ja auf diese verhuschten Heinis, die mit ihrer femininen Seite im Einklang waren.
    Ich beschloss, nichts weiter zu sagen. Wie üblich.
    Aber irgendwann würde ich explodieren!
    * * *
    »Es ist eine ganz normale Kneipe«, hatte Susann ihm erklärt. »Na ja, ziemlich normal. In den meisten Kneipen gibt es natürlich nicht so viel gut aussehende Typen auf einen Haufen – und üblicherweise hängen da

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