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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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auch keine Poster von Barbra Streisand an der Wand. Aber ansonsten sitzen die Leute da einfach rum, trinken etwas, klönen … Es ist jedenfalls nicht so, dass sie sich rudelweise auf dem Tresen begatten.«
    »Wie bedauerlich«, hatte Sven gekichert. Aber Susann merkte, wie erleichternd er ihren Bericht fand. Sie war froh, dass sie an diesem Abend ins Tuc Tuc gegangen war. Auch wenn Piet deshalb ohne sie ins Konzert gehen musste. Und es war auch gar nicht schlimm. Sie war nicht einmal die einzige Frau dort. Verständlich eigentlich: Es war für Damen der sicherste Ort der Stadt, wenn man in Ruhe ein Bier trinken wollte, ohne angebaggert zu werden.
    »Ganz normal«, sagte sich Sven tapfer – und öffnete die Tür! Und tatsächlich: Das Tuc Tuc war kein Plüschparadies, sondern einfach eine gemütliche Pinte. Der einzige Unterschied war, dass Sven normalerweise nicht gleich ein ganzes Dutzend neugierige Blicke auf sich zog, wenn er einen Laden betrat. Mit möglichst neutralem Gesichtsausdruck ging er zum Tresen, setzte sich auf einen Barhocker und studierte – der alte Lesereflex! – die ausliegenden Bierdeckel: Beck’s . Interessant. Die trinken hier Hetero-Bier. Dummdidumm. Ganz unauffällig. Ich war schon in hunderten von Schwulenkneipen. Ist absolut nichts Besonderes, hier herumzusitzen. Ba-damm-da-damm, la la, la. Ich bin ganz entspannt …
    Sven hatte das Gefühl, die Blicke der anderen Gäste würden sich regelrecht in ihn bohren. Da er mit dem Rücken zum Raum saß, wusste er natürlich nicht, ob das stimmte, vielleicht waren alle Männer längst wieder in ihre Gespräche vertieft und ignorierten ihn. Aber noch nie in seinem Leben hatte Sven sich dermaßen exponiert gefühlt.
    »Hallo«, begrüßte ihn der Mann hinter dem Tresen – eine schwarzhaarige Schönheit mit glutvollen Augen. Ein nahezu kriminell hübscher Kerl.
    »Bier«, sagte Sven – und der Kloß in seinem Hals war unüberhörbar . »Äh … eins!«
    »Ein … Bier …«, grinste der Barkeeper ironisch. »Nur … eins?«
    »Hm-m«, nickte Sven. Das fing ja gut an.
    Die Tresenschönheit brachte ein Pils vom Fass. »Ich hab dich hier noch nie gesehen«, lächelte er.
    »War auch noch nie hier«, sagte Sven.
    »Na, dann herzlich willkommen«, sagte der Tresengott mit aufrichtiger Freundlichkeit.
    »Danke«, lächelte der nervöse Sven. Er trank einen Schluck und studierte erneut den Bierdeckel. Hätte ja sein können, dass er vorhin etwas übersehen hatte. Dumm-di-dumm. La, la, la. Ganz entspannt.
    » Wenn man diese Bierdeckel lange genug anstarrt, dann sieht man plötzlich das Bild eines Delfins«, sagte plötzlich eine Stimme neben ihm. »Wie bei diesen 3-D-Postkarten!«
    Sven schaute erschrocken auf und sah einen Typen mit blondem Pferdeschwanz und leuchtend blauen Augen. Nicht einfach nur blau – leuchtend blau! Wie bei Terrence Hill. Er war so etwa in Svens Alter, vielleicht zwei, drei Jahre älter. Sven schaute einfach nur verdutzt und sagte gar nichts.
    »Kleiner Scherz«, grinste der Typ. »Hi, ich bin Markus! Nenn mich Matze.« Er hielt Sven die Hand hin.
    »Sven«, sagte Sven – und schüttelte Matzes Hand. Matze hatte einen außergewöhnlich festen Händedruck.
    »Neu in der wunderbaren Welt der Homosexualität?«, grinste Matze.
    »Ist das so offensichtlich«, fragte Sven.
    Matze lachte: »Hey, wir haben alle mal bei Null angefangen!«
    Sven drehte sich zu den anderen Gästen um. Täuschte er sich oder wandten plötzlich alle blitzschnell ihren Blick von ihm ab?
    »Also«, sagte Matze und legte seine Hand auf Svens Schulter, »dann erzähl doch mal …«

    »Er ist sooo süß!« Sven strahlte.
    »Und er heißt wirklich Atze?«, fragte Susann ungläubig.
    »Matze! Mit M!«, strahlte Sven. »Aber eigentlich Markus. Und er ist sooo süß!«
    »Das sagtest du bereits«, grinste Susann.
    * * *
    Ich hatte gerade Fernsehen geschaut. Es lief ein Tatort mit einem neuen Kommissar namens Schimanski, der eben – oder hatte ich mich verhört? – tatsächlich »Scheiße« gesagt hatte. Wow! Ein öffentlich-rechtliches Scheiße! Da sag noch mal einer, es gebe keine Überraschungen mehr!
    Eine noch größere Überraschung war es allerdings, als während ebendieses Tatorts meine Mutter anrief und mir mitteilte, dass ein neuer exotischer Brief für mich eingetroffen sei. Aus Obervolta! Herrgott, wo lag denn das? Ich verabredete mit meinen Eltern, dass ich gleich am nächsten Morgen zum Frühstück vorbeikommen wollte, um den Brief

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