Die Depressionsfalle
Verletzungen völlig genesen, entwickelte sie als Jugendliche Symptome, die nicht als Ausdruck einer schweren Depression erkannt wurden. Sie war eine mittelmäÃige, unauffällige Schülerin, verweigerte jeden auÃerschulischen Kontakt mit Gleichaltrigen, isolierte sich auch innerhalb der Familie und las sehr viel, hauptsächlich anspruchsvolle Literatur. Nahestehenden imponierte sie als âwohlerzogenâ, sie war aber gleichgültig und antriebslos. Die offensichtlich nicht verheilten seelischen Verletzungen versuchte sie mit dem Konsum von âweichenâ Drogen wie Cannabis zu mildern. Als ihr Rückzug vom sozialen Leben auffällig wurde, begann sie auf Druck der Familie mit einer Psychotherapie, die sie nach wenigen Sitzungen wieder abbrach. Als sie Alkohol zu konsumieren begann und ihr ÃuÃeres vernachlässigte, wurde sie â wieder auf Druck der Familie â stationär psychiatrisch behandelt. Ãber kurze Zeit wurde sie ein Opfer der âDrehtür-Psychiatrieâ: Auf eigenen Wunsch entlassen, setzte sie alle Psychopharmaka â vor allem Antidepressiva â ab und trank sich bewusstlos, wurde in diesem Zustand wieder eingeliefert und nach partieller Ausnüchterung wieder entlassen. SchlieÃlich starb sie sehr jung auf tragische Weise. Es gelang den Vertretern des medizinischen Systems offensichtlich nicht, einen Zugang zu den inneren Qualen, die nur durch Trinken bis zur Bewusstlosigkeit gemildert werden konnten, Zugang zu finden.
Das Schicksal von Agnes kann als Beispiel dafür dienen, dass es Menschen gibt, denen zu helfen fast unmöglich ist, und wiederum andere, bei denen wir einsehen müssen, dass wir es nicht verhindern können, dass sie aktiv, man würde fast sagen freudvoll, ihreSelbstzerstörung und ihren Tod wünschen. Das betrifft etwa Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen, z.B. schwer Süchtige und solche mit chronischen Depressionen, die sich nur durch schwere Selbstverletzungen beruhigen können und die, ohne direkt suizidal zu sein, im Laufe der Zeit schwere Verstümmelungen erleiden können, die eine Todesgefahr darstellen. Es gibt Patienten, die dieses selbstzerstörerische Verhalten gleichzeitig in Selbstverletzungen und in Handlungen darstellen, die ihr Leben ruinieren, sie verarmen lassen und sie langsam von allen anderen Menschen trennen. Viele Personen, die an chronischem Alkoholismus und Drogensucht leiden, sind davon betroffen.
Es gibt auch Patienten, bei denen das Gefühl der Selbstzerstörung mit einem Gefühl von Macht verbunden ist, einem Gefühl der Ãberlegenheit, weil sie sich im Gegensatz zu allen anderen Menschen nicht vor Schmerz und Tod fürchten. Während psychotherapeutischer Behandlungen sind diese Patienten unbewusst darauf konzentriert, die Beziehung mit dem Therapeuten/der Therapeutin zu zerstören und jede Investition in die Beziehung, in die Persönlichkeit des Therapeuten zu unterminieren. Auch hier kann die psychoanalytische Theorie als einzige der psychologischen Theorien vom Menschen ein Verständnis eröffnen, das den Versuch einer psychotherapeutischen Behandlung möglich macht.
Die unbewusste Phantasie, dass âes besser ist, in einer Welt eines grausamen Gottes zu leben, als in einer Welt eines unberechenbaren Teufelsâ 19 , steht im Hintergrund von schweren Depressionen und von Selbstmord (Suizidalität). Dadurch ist das Unbewusste schwer depressiver Personen durch den Versuch gekennzeichnet, die als feindlich erlebten Objekte der AuÃenwelt (die unberechenbaren Teufel) als primitive âGötterâ (Ãber-Ich-Figuren) in ihre psychische Struktur aufzunehmen. Das bedeutet, dass ein grausames, exzessives, unbewusstes, kindliches Ich in depressiven Personen weiterbesteht: durch die Verinnerlichung (Internalisierung) von aggressiven Objekten, die entweder von wirklichen Traumatisierungen gewalttätiger Eltern stammen können oder von der Kombination strafender Eltern und der Projektion von primitiven, d. h. frühkindlichen, aggressiven Affekten. Unter Umständen kann paranoide Angst zu einerverinnerlichten Neigung zu unberechtigten, exzessiven Schuldgefühlen führen, und so können angeborene Tendenzen zu depressiven Affekten krankhaft (pathologisch) verstärkt werden.
Wir sehen hier die Beziehung zwischen der biologischen Disposition zu aggressiven Affekten, aber auch zu depressiven Einstellungen, und
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